Wenn unsere Akzeptanz kippt, hat Putin gewonnen
Sitzen wir im Winter ohne Heizung da? Noch witzeln die Menschen im Biergarten bei sommerlichen Temperaturen über dieses Szenario. Ich höre dabei aber vielfach Spuren von Sarkasmus und Resignation heraus. Es wird schon alles nicht so schlimm. Und: „Ist mir egal, ich habe vorgesorgt.“ Diese Aussagen höre ich immer wieder. Dazu passt: Die Nachfrage nach Kaminen und Elektro-Heizungen zieht steil an. Gut, dass es in jeder Krise Gewinner gibt. Ob die dann aber auch bald eine Übergewinnsteuer zahlen müssen – auch, wenn sie als nachhaltig gelten?
Zusammenrücken oder Abstand halten?
Alle anderen können ja dann in den kalten Wohnungen einfach enger zusammenrücken. Ach ja, regelmäßig lüften nicht vergessen. Wobei: Vermutlich wird Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) solche Kuschel-Kreise verbieten. Schließlich werden im nächsten Herbst und Winter wieder neue todbringende Corona-Wellen über Deutschland hinwegspülen. Oberstes Gebot wird daher wohl wieder sein: Abstand!
Sich im Auto aufzuwärmen, wird auch keine Alternative sein. Denn seit Jahren soll ich zwar „für die Rente rasen“. Aber jetzt gerade soll ich dann doch lieber möglichst ganz auf das Verbrenner-Auto verzichten, um nicht noch Putins Krieg zu finanzieren. Im Gegenzug versperren die EU und die USA sämtliche Zahlungswege und verhindern damit, dass hunderte Millionen Euro russischer „Übergewinne“ aus dem Verkauf von Öl und Gas an westliche Anleger abfließen. Dieses Geld bleibt jetzt besser im russischen Reich.
Deutschland ist nicht bereit für den Wirtschaftskrieg
Ich ahne, dass viele Deutsche der Regierung bald nicht mehr bedingungslos folgen. Wenn sich die Energiepreise im Winter nochmal verdoppeln, Regale leerer bleiben, die Nahrungsmittelpreise nochmal um 50% zulegen, wenn große Firmen zu Weihnachten ihre Pforten schließen und tausende Menschen entlassen, dann wird es mit der Akzeptanz der Kriegsfolgen in Deutschland dünn werden. Dann wird die grüne Außenministerin Annalena Baerbock Recht haben, wenn sie die „Kriegsmüdigkeit der Deutschen“ bemängelt.
Habeck ist optimistisch. Er meinte in einem Interview, dass es Putin nicht gelingen werde, dass „wir uns zerlegen.“ Ich fürchte, der Wirtschaftsminister irrt. Wir haben viel mehr zu verlieren, als Russland. Sowohl individuell, als auch gesellschaftlich. Wir sind viel weniger leidensfähig und –willig, als viele Russen, die es gar nicht anders kennen. Und wir werden merken, dass der Krieg und die Sanktionen auch für uns viel mehr bedeuten, als nur ein „bisschen frieren für den Frieden frieren und auf ein paar Jahre Lebensglück verzichten“ (Ex-Bundespräsident Joachim Gauck).