Neue Impulse für Lateinamerika-Handel
2023 wird einen Neustart zwischen den Beziehungen der EU zu Lateinamerika markieren. Das künden einerseits Veränderungen in Südamerika selbst und andererseits auch eine andere Haltung der Europäer an. Vor allem das Freihandelsabkommen MERCOSUR-EU dürfte dadurch endlich ratifiziert werden. Der Vertragstext liegt seit 2019 zur Ratifizierung vor, wird aber u.a. von Frankreich wegen Umweltschutz-Bedenken abgelehnt.
Machtwechsel in Brasilien
Beim wichtigsten Südamerika-Handelspartner wird aller Voraussicht nach der linke Kandidat Lula Da Silva die anstehenden Präsidentschaftswahlen (Wahltermin 02.10.) gewinnen. Er führt seit Wochen die Umfragen zweistellig vor dem rechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro an. Während die Regenwaldabholzung unter Bolsonaro massiv vorangetrieben wurde, verspricht Da Silva ein umfangreiches Umweltschutz-Programm im Falle seines Wahlsiegs. In seine ersten Amtszeit (2002 bis 2010) hat er bereits einen effektiven Regenwaldschutz aufgebaut. Das dürfte die Bedenken u.a. der Franzosen beruhigen.
Auch andere Staaten Lateinamerikas sind offen für neue Kooperationen mit der EU. Im Zuge des Latino-Linksrucks (FB vom 17.03.2022) wollen viele neue Regierungen sich aus dem Klammergriff zwischen China auf der einen und den USA auf der anderen Seite befreien. Dabei geht es vor allem um die Kontrolle ihrer Bodenschätze, sowie eine progressive Wirtschafts-, Energie- und auch Klimapolitik.
Spanien will neue Lateinamerikapolitik
Neue Impulse seitens der Europäer sind spätestens mit der spanischen EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2023 zu erwarten. Ministerpräsident Pedro Sánchez hat etwa angekündigt einen Lateinamerika-Gipfel ausrichten zu wollen. Es wäre der erste seit 2015. Zudem hat er vorige Woche die Staaten Kolumbien, Honduras und Ecuador besucht. Auch der Europäische Auswärtige Dienst hat jüngst in einem Positionspapier eine neue Lateinamerika-Politik angemahnt, um den Staaten eine handelspolitische Alternative neben den USA und China zu bieten.
Die Beziehungen zu Da Silva werden bereits aufpoliert. Gerade die deutschen Sozialdemokraten pflegen enge Kontakte nach Südamerika. Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz besuchte Da Silva etwa 2018 im Gefängnis (Inhaftierung aufgrund von Korruption). Im vorigen Jahr war Da Silva dann "Klinkenputzen" in Brüssel und traf ebenfalls auf Schulz. Zudem traf er sich mit Gewerkschaftsführern wie Reiner Hoffmann (DGB) und Frank Wernecke (Ver.di), sowie Linke-Politiker Gregor Gysi. Im Anschluss reiste er weiter nach Frankreich und Spanien.
Beidseitige Chancen durch Freihandel
Gelingt das MERCOSUR-Abkommen, könnte das den lange darbenden Handel mit Südamerika wiederbeleben. Die Südamerikaner exportieren vor allem Agrarprodukte und Rohstoffe. Die Lebensmittelpreise in Europa werden unter Druck kommen. Umgekehrt sind die Märkte Südamerikas mit hohen Zöllen auf Maschinen, Chemieprodukte oder Fahrzeugteile abgeschottet. Hier liegen große Chancen für deutsche Exporteure.