Nur Verlierer
Trotz der lächerlichen Kapriolen im Parlament sind sich die Briten als Lordsiegelwahrer demokratischer Entscheidungen treu geblieben. Es ging eben nicht nur um ökonomischen Pragmatismus. Es ging auch ums Grundsätzliche: die eigene Souveränität.
Noch sind die Briten in der EU
Jetzt geben sich alle erleichtert. Dabei steckt die Wurzel immer noch im Kiefer. Aber der Zahnarzt hat seine Instrumente wieder: Premier Boris Johnson hat die Zange zurück, die seine Vorgängerin Theresa May verlegt hatte. Die Wähler haben ihm die Arm- und Beinfreiheit verschafft, die Sache zu Ende zu bringen. Koste es, was es wolle.
Wie sauber und schmerzfrei die Entfernung gelingt, ist immer noch offen. Sicher aber ist, dass in Europas „Gebiss“ ein große Lücke klaffen wird. Um im Bild zu bleiben: Ein großer Backenzahn wird fehlen. Damit kaut es sich schlecht und einseitig.
Wer Verlierer ist und wer Gewinner wird sich erst in Jahrzehnten zeigen
Finanziell soll Deutschland die Prothese liefern. Die Briten hatten Rabatt, ja, aber sie waren Nettozahler in die EU-Kasse. Das soll Berlin nun zum Großteil übernehmen. Wir sind auch Verlierer.
Politisch ist es auch nicht besser. Europa wird protektionistischer, zentralistischer, noch weniger demokratisch. „Lose lose“ – es gibt nur Verlierer –, das ist erstmal das Ergebnis der „Operation Brexit“.
Die Briten haben sich fürs Prinzip Hoffnung entschieden
Doch die Briten haben sich nicht nur für das Prinzip Demokratie entschieden sondern auch für das Prinzip Hoffnung. Sie gehen dabei ein großes Risiko ein. Demokratie ist Risiko. Auf lange Sicht weiß noch niemand, wer der größere Loser sein wird. Schaffen es die Insulaner wider Erwarten, sich wirtschaftlich zu berappeln, dann gibt es ein Gegenmodell zum angeschlagenen Europa. Der Brexit kann der Anfang vom Ende des Vereinigten Königreichs sein. Aber auch der Europäischen Union.