Brexit: Großbritannien vor Neuordnung
In Großbritannien muss erst Eintracht hergestellt sein, bevor es in Brüssel um den Austritt aus der EU nachsucht. Das wird dauern.
Großbritanniens Brexit-Antrag wird auf sich warten lassen. Hintergrund ist das Bemühen der neuen Premierministerin Theresa May, Schotten und Nordiren unbedingt im Vereinigten Königreich zu halten. Beide Landesteile hatten mehrheitlich den Brexit abgelehnt. Lediglich in Groß-London war die Zustimmung zum Verbleib in der EU größer. Namentlich die Schotten drohen mit eigenen Verhandlungen zu einem Verbleib. Jean-Claude Juncker und Martin Schulz haben bereits kurz nach dem Referendum Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon empfangen – ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung London. In der Downing Street arbeitet man mit Hochdruck an neuen regionalen Vertretungen im Vereinigten Königreich. Derzeit haben die Regionalparlamente unterschiedliche Befugnisse – und ausgerechnet das Kernland England hat gar keines, stellt die Stiftung Wissenschaft und Politik fest. May zielt wie schon David Cameron auf eine Föderalisierung nach deutschem Vorbild ab, um die Ungleichgewichte zu beseitigen. Angesichts der schwierigen Verhandlungen im Land selbst wird es bis zu einem Austrittsantrag in Brüssel dauern. Aber ohne eine nationale Einigung braucht England gar nicht erst mit der EU in Gespräche einzutreten. Zu leicht wäre ein Torpedieren durch Querschüsse aus Glasgow oder Belfast. Es muss aber rasch geschehen, sonst sorgt die anhaltende Unsicherheit für ein Abrutschen in eine Wirtschaftskrise.
Fazit: Der Brexit könnte Anlass sein, die überholte politische Struktur im Vereinigten Königreich selbst zu verändern. Geschieht das nicht, ist eine Auflösung des United Kingdom nicht unwahrscheinlich.