Chinas nächste Baustelle
Am 11. Januar finden Präsidentenwahlen in Taiwan statt. Die Umfragen deuten darauf hin, dass die in Peking verhasste Amtsinhaberin, Tsai Ing-wen, wiedergewählt wird. China ist daran nicht ganz unschuldig, denn die kompromisslose Haltung Pekings im Umgang mit der Protestbewegung in Hongkong hat den Taiwanesen Angst vor dem dominanten Nachbarn gemacht. Tsai Ing-wen verurteilte die Repression in Hongkong umgehend, während sich ihr Herausforderer von der Kuomingtang (KMT), Han Kuo-yu, stark zurückhielt. Das brachte ihr viele Sympathien ein.
Tsai Ing-wen verfolgt seit ihrer Wahl 2016 zur Präsidentin einen China-kritischen Kurs und korrigiert damit die China-freundliche Politik ihres Vorgängers Ma Ying-jeou. Dessen „Annäherungspolitik“ gegenüber Peking gab dem chinesischen Druck nach und tauschte dafür chinesische Investitionen ein. Ma hatte die Wehrpflicht abgeschafft, die Insel gegenüber dem chinesischen Massentourismus geöffnet und Peking strategische Investitionen in die Wirtschaft einschließlich der Medien erlaubt. Die Losung der Kuomingtang, der Ma Ying-jeou und Han Kuo-yu angehören, lautet: „Hundert Prozent Wirtschaft, Null Prozent Politik“. Doch die wirtschaftliche Dominanz Chinas macht gerade die politische Stärke Pekings aus.
Ausverkauf an China?
Aus der Sicht von Tsai Ing-wen führte der Kurs von Ma Ying-jeou direkt in die Übernahme Taiwans durch China. Sie gehört der Demokratischen Fortschrittspartei an, die die „Ein China“ Politik Pekings, die auch die Kuomingtang vertritt, ablehnt und die Taiwanesen als eigenständige Nation betrachtet.
Um Ma Ying-jeous Politik zu korrigieren, musste Tsai Ing-wen teure Reformen durchführen. Ihr schadete auch, dass China Taiwan auf der Weltbühne immer mehr isoliert. Die Repression in Hongkong hat nun die USA bewogen, auf Tsai Ing-wens Konfrontationskurs einzuschwenken. Sehr zum Unmut Chinas hat US-Präsident Trump Taiwan bereits die Lieferung moderner Kriegswaffen und politische Unterstützung zugesichert.