Der zweite Mann im Staate Russland
Im Westen wird der russische Staatspräsident Wladimir Putin gern als beinahe allmächtig dargestellt. Doch am zweiten Mann im Staat, Dmitrij Medwedjew, beißt er sich bisher die Zähne aus.
Wie stark ist der zweite Mann im Staate Russland wirklich? Diese Frage stellt sich, nachdem auch der zweite Anlauf des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, den ungeliebten, oft tölpelhaft agierenden Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedjew loszuwerden, gescheitert ist.
Medwedjews Immobilienbesitz liefert seinen Gegnern einen starken Angriffspunkt. Schon im September letzten Jahres, kurz nach der Duma-Wahl, durften Oppositionelle um den schillernden Alexej Nawalnyi im Internet eine begrenzte Kampagne lostreten, die sich mit dem feudalen Immobilienbesitz des Medwedjew im Inland beschäftigte. Mit Kreml-Erlaubnis, und die konnte nur Putin erteilen, nahmen auch einige Zeitungen von der Raffgier der hohen Staatsperson Notiz.
Im März wurde der Diskreditierungs-Versuch mit einer geballten Ladung wiederholt. Diesmal durfte Nawalnyi, der immer nur „Bewährungsstrafen“ kassiert, wo andere im Straflager landen, im Netz und in einem Videofilm die noch viel umfangreicheren und kostspieligeren Auslandsimmobilien des Ministerpräsidenten auf Zypern und in der Toskana vorführen – mit Luftaufnahmen und Katasterangaben. Von Medwedjew alles notdürftig als „Stiftungen“ getarnt. Die Zeitungen durften sich etwas ausgiebiger amüsieren. Die Kommentatoren zuckten aber mit den Schultern nach dem Motto: Wo Macht ist, da ist eben auch Reichtum. Putins Sprecher verkündete trocken, so sähen eben die „Machwerke“ eines „vorbestraften Bürgers“ (Nawalnyi) aus. Weiter nichts.
Medwedjew nannte das Ganze ziemlich hilflos ein „mieses Komplott“. Zur Sache schwieg er. Er mag gewankt haben, aber gewichen ist er nicht. Den Grund kann man nur vermuten: Medwedjew hat als Vorsitzender der herrschenden Partei „Einiges Russland“ offenbar genügend Unterstützer, die seinen Sturz in Partei und Staat verhindern. Und diese haben in ihm einen immer noch einflussreichen Protektor, wenn es um Korruption, Bereicherung und die Plünderung von Staatstöpfen geht. Es gibt allerdings eine Variante der Erzählung, und die lautet: Putin braucht Medwedjew noch und sägt ihn später ab. Nur: Wofür? Die Antwort ist in Moskau nicht zu erfahren.
Fazit: Putins Macht ist nicht unbegrenzt. Er hat zwar inzwischen schon ein halbes Dutzend korrupter Provinzgouverneure abgesetzt. Aber an der Staatsspitze stößt er mit seinen Säuberungen offensichtlich auf einen – nicht unerwarteten – Widerstand.