Ärzte drängen auf „Flüchtlings-Budget“
Deutschlands Ärzteschaft setzt sich für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ein. Nicht ganz uneigennützig.
Die deutsche Ärzteschaft will stärker vom Flüchtlingsstrom profitieren. Die Asylbewerber sollen möglichst schnell und umfassend in das gesamte Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einbezogen werden. Da sie überwiegend aus Ländern mit teilweise sehr schlechter Gesundheitsversorgung kommen, wird ein hoher Aufwand allein für Basisleistungen (Impfen, Zahnersatz, Gynäkologie, Infektionskrankheiten) erwartet. Bislang haben Asylbewerber nur Anspruch auf eine Akut- und Schmerzversorgung. Und das auch nur nach behördlicher Einzelgenehmigung. Damit soll die Inanspruchnahme von Leistungen gedrosselt werden. Zudem gibt es eine Wartezeit, die den vollen Zugriff auf Gesundheitsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII (GKV-Niveau) beschränkt. Diese Wartefrist wurde per 1. März 2015 erheblich verkürzt – von 48 Monaten auf 15 Monate. Ein großer Erfolg der Ärztelobby. Nun trommelt der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, für weitere Erleichterungen. Flüchtlinge sollen sofort „vollen Zugang zu GKV-Leistungen“ erhalten. Dazu versichern Kommunen ihre Flüchtlinge über eine Gesundheitskarte in Rahmenverträgen mit den Krankenkassen. Für die Ärzte ein großer Vorteil, denn keine Behörde kann nun den ärztlichen Leistungsumfang begrenzen. Die Gesundheitskarte läuft zudem außerhalb der ärztlichen Budgetierung. Die Krankenkosten für Flüchtlinge werden von den Ländern bezahlt und die Ärzte erhalten für jede Leistung eine Vergütung nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Je mehr Leistungen sie erbringen, desto mehr verdienen sie. Bei normalen GKV-Versicherten verhindern dies sogenannte Praxisbudgets. Danach erhält jeder Arzt für sein Patientenkollektiv im Quartal eine Pauschalsumme. Kommen in einem Quartal (etwa bei einer Grippewelle) überdurchschnittlich viele Patienten, arbeitet er „umsonst“. Die faktische Gleichstellung der Flüchtlinge mit den GKV-Versicherten bedeutet gewaltige Mehreinnahmen der ärztlichen Leistungserbringer. Expertenschätzungen belaufen sich auf über 2 Mrd. Euro im nächsten Jahr, wenn der Großteil der jetzt und im Vorjahr eingewanderten zirka 1 Mio. Flüchtlinge auf die Gesamtversorgung zugreifen können. Am 24.9. werden Bund und Länder abschließend beraten, wie hoch der Zuschuss von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ausfallen wird. Die Kommunen fordern 2-3 Mrd. Euro. Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) befürwortet die bundesweite Gesundheitskarte. Eine Eingliederung der Flüchtlinge in die GKV würde zwar die ärztliche Mengenausweitung eindämmen und wäre unbürokratischer. Gröhe will aber verhindern, dass es zu Beitragserhöhungen für die Beitragszahler kommt. Das würde sich direkt in geringeren Nettolöhnen der Beitragszahler niederschlagen. Die Steuerzuschüsse für die Länder lassen sich notfalls über Schulden finanzieren.
Fazit: Die Flüchtlinge bringen der deutschen Ärzteschaft ansehnliche Mehreinnahmen. Die Gesundheitskarte wird bundesweit kommen und das Leistungsvolumen ausdehnen. Um die Beitragszahler zu beruhigen, wird sich an der Steuerfinanzierung nichts ändern.