Abschied vom Föderalismus
Die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ist der Hebel für mehr Macht für den Zentralstaat. Das Mittel dazu ist die schlechte finanzielle Lage der meisten Länder.
Deutschland ist auf dem Weg vom Föderal- zum Zentralstaat. Dies zeichnet sich im Zuge der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ab. Die Länder haben ein janusköpfiges Angebot des Bundesfinanzministeriums vorliegen: Deutschland-Bonds. Neu daran ist nicht, dass Bund und Länder gemeinsam Schuldscheine begeben. Schon jetzt läuft eine gemeinsame Anleihe von 2013 über 5 Mrd. Euro. Neu daran ist, dass allein der Bund dafür haften wird. Die Verlockung eines geringeren Zinssatzes werden die Länder mit Souveränitätseinschränkungen bezahlen. Der Hebel für den Bund ist die Schuldenbremse. Mindestens zehn Bundesländer sind in Gefahr, das Verbot der Neuverschuldung ab 2020 nicht einhalten zu können. Ihnen bietet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deshalb zwei Modelle an, wie sie es dennoch schaffen können. Vorschlag 1: Alle Altverbindlichkeiten der Länder kommen in einen Altschuldentopf. Den Zins- und Tilgungsplan übernimmt allein der Bund. Dafür will Berlin statt 51,4% des Umsatzsteueraufkommens von 148,3 Mrd. Euro (2013) dann 58,4%. Das stößt bei den Ländern (noch) auf Ablehnung. Vorschlag 2, Deutschland-Bonds: Damit freunden sich die Schuldnerländer eher an. Ihr Vorteil: Die Zinsen sind niedriger als bei eigener Schuldenaufnahme. Dafür sorgt die Finanzagentur des Bundes. Sie soll künftig das gesamte Anleihegeschäft für Bund und Länder managen. Finanzmarktexperten erwarten, dass die allein vom Bund verbürgten Gemeinschaftsanleihen einen Schnaps höher verzinst werden müssen als klassische Bundesanleihen. Die Bundesländer schlüpfen gleichzeitig unter eine strengere Aufsicht des Stabilitätsrats. So will Schäuble sicherstellen, dass sie ihre anteiligen Zinsen und Tilgungen tatsächlich aufbringen. Wer sich nicht an die Abreden hält, riskiert nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums einen teilweisen Verlust seines politischen Handlungsspielraums. Aufgrund des absehbaren Souveränitätsverlustes der Länder wird mit starkem Widerstand aus ihren Reihen gegen die Pläne gerechnet. Doch die Zeit arbeitet für den Bund. Bis 2019 muss die Neuregelung abgeschlossen sein. Denn ab 2020 greift die Schuldenbremse der Länder. Da dafür das Grundgesetz geändert werden muss, ist die Zeit bis 2017 (Große Koalition) für alle Beteiligten am günstigsten. Die Konsequenzen werden langfristig zu beobachten sein. So lange die Zinsen niedrig sind, können die Länder ihre Eigenständigkeit wahren. Steigen die Zinsen, müssen sie Zinsverbilligungen durch die gemeinsame Schuldenaufnahme unter Regie des Bundes in Anspruch nehmen, um die Schuldenbremse einzuhalten – und geraten automatisch unter dessen Kontrollhoheit.
Fazit: Bislang ist nichts entschieden. Aber die Strategie des Finanzministeriums gibt den Weg in den Zentralstaat vor: Die Länder verlieren schleichend ihre (Haushalts-)hoheit.