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Eingliederung der PKV in die GKV

Bertelsmann ignoriert negative Effekte

PKV in die GKV integrieren?
Die Bertelsmann-Stiftung hat für Furore gesorgt. Ihre Studie zur Eingliederung der GKV in die PKV hat hohe Wellen geschlagen. Das Einsparpotenzial sei enorm. Wir haben bis zu Ende gerechnet und kommem zu einem ganz anderen Ergebnis. Politisch ist die Idee fragwürdig. Und das Einsparpotenzial ist kurzfristig gering. Langfristig entsteht jedoch ein erhebliches Kostenrisiko für die GKV - und damit auch für Arbeitgeber.

Die Bertelsmann-Stiftung irritiert mit einer politisch fragwürdigen Interpretation eigener Studienergebnisse. Die Stiftung, die regelmäßig viel mediale Aufmerksamkeit für ihre Studien erhält, hat zum Effekt der Eingliederung der PKV in die GKV einen relevanten Aspekt bewusst außen vorgelassen. Der verursacht aber ein erhebliches und langfristiges Kostensteigerungsrisiko für die GKV. Hätte Bertelsmann den Faktor in Betracht gezogen, wäre sie vermutlich zu einer anderen Aussage gekommen.

"Eine rein akademische Frage"

FUCHS hat mit Studienleiter Dr. Richard Ochmann gesprochen. Nach seiner Aussage ging es Bertelsmann lediglich um eine Kostenschätzung, was geschehen würde, wenn alle Privatversicherten in die Gesetzliche Krankenkasse einzahlen würden. Es habe sich "um eine rein akademische Frage gehandelt, die politische und rechtliche Machbarkeiten bewusst unberücksichtigt lässt". Es sollte nur ein „Was-wäre-wenn-Szenario“ gerechnet werden.

Eine Auflösung und Integration der PKV in die GKV ist aber verfassungsrechtlich höchst umstritten. Zahlreiche Experten sind sich sogar einig, dass ein solcher Schritt vor dem höchsten Gericht klar scheitern würde. Dies bei der öffentlichen Stellungnahme außer Acht zu lassen, ist unredlich.

Politisch fragwürdige Interpretation

Das präsentierte Ergebnis ist also mehr Theorie als Praxis. Danach brächte es - würden alle Privatversicherten in die GKV einzahlen - dieser ein Einnahmenplus von 38,6 Mrd. Euro pro Jahr. Grob geschätzt wurde das auf Basis der Einkommen der heute gut 8,8 Mio. Privatversicherten. Werden aber die von den Privatpatienten verursachten Kosten abgezogen, reduziert sich das geschätzte Plus auf nur noch 9 Mrd. Euro pro Jahr. Das sind 145 Euro pro Jahr (0,6% des Beitragssatzes) – für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen. Schon das ist wenig.

Außerdem lässt Bertelsmann die Altersrückstellungen der PKV-Versicherten und ihre Wirkung auf das Gesundheitssystem völlig unberücksichtigt. Würden Privatversicherte in die GKV einzahlen, würden sie keine Rückstellungen mehr bilden. Langfristig würde das angesichts der demographischen Entwicklung und der Entwicklung der Krankheitskosten zu einem erheblichen Problem für die GKV werden. Die gesetzlichen Kassen leiden ja heute schon unter dynamisch wachsenden Ausgaben und bilden im Gegensatz zur PKV eben keine Rücklagen. Das Minus in der GKV lag im vorigen Jahr bei gut 1 Mrd. Euro – trotz des starken Arbeitsmarktes.

Enormes Kostenrisiko für die GKV bewusst ausgeblendet

Die Altersrückstellungen der PKV belaufen sich derzeit auf 135 Mrd. Euro. Dieses angesparte Geld fängt Kostensteigerungen im Alter auf. Würden die derzeit 8,8 Mio. PKV-Versicherten künftig in die GKV einzahlen, würden sie mit ihren Beiträgen keine weiteren Rückstellungen mehr bilden. Das künftige Finanzierungsproblem von steigenden Gesundheitskosten in der GKV würde sich damit millionenfach erhöhen.

Perspektivisch hätte das zwingend einen steigenden Beitragssatz in der GKV zur Folge. Der wird politisch festgelegt und würde dann die Arbeitskosten erheblich verteuern. Würden die absehbaren Beitragssteigerungen aufgrund des Wegfalls der Altersrückstellungen berücksichtigt, ist die kurzfristige Ersparnis von 145 Euro pro Jahr gering.

Negative Folgen für das Gesundheitssystem ignoriert

Politisch in die Praxis umsetzbar wäre das Projekt zudem nur, wenn die Ärzte Ausgleichszahlungen für Honorarverluste aus der PKV erhalten würden. Deren Vergütungssätze sind deutlich höher als die der GKV. „Werden diese Kosten mit eingerechnet, blieben von den neun Milliarden Euro netto - konservativ gerechnet – höchstens 2,4 Mrd. Euro übrig“, so Studienautor Ochmann. Das wiederum entspricht einer Ersparnis von 48 Euro im Jahr für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen (Beitragssatzeffekt -0,2 Prozentpunkte) – und wäre angesichts des eingekauften Kostenrisikos lächerlich. 

Bekämen die Ärzte diese Ausgleichszahlungen nicht, wäre das im Ergebnis vermutlich für das gesamte Gesundheitssystem nachteilig. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Ärztedichte und die Praxisausstattung in Regionen mit vielen Privatpatienten besser ist als  in Regionen mit vielen GKV-Versicherten. Einer der Gründe dürfte die vergleichsweise höhere Honorierung der „Halbgötter in Weiß“ sein, die sich in für sie wirtschaftlich relativ attraktiveren Umfeldern ansiedeln und in ihre Praxen investieren. Fielen die höheren Honorare weg, wäre also eine negative Rückkopplung wahrscheinlich. Darunter würden dann alle Patienten leiden. 

Fazit: Die Bertelsmann-Stiftung hat die Studie zur Eingliederung der PKV in die GKV massiv politisch instrumentalisiert. Denn sie blendet relevante Punkte zur politischen Machbarkeit und langfristige finanzielle Wirkungen komplett aus.

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