Corona killt den Zusammenhalt
Die Corona-Pandemie sorgt gesellschaftlich für eine stärkere Ausdifferenzierung. Sie wirkt wie ein Katalysator. Das ist – entgegen der breiten Berichterstattung – das zentrale Ergebnis der aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nur jeder Fünfte erkennt ein Zusammenrücken in der Gesellschaft. Diese Personen sind älter, gebildeter und haben ein höheres Einkommen.
Je jünger, weniger gebildet und je schlechter die ökonomische Lage, desto weniger wird ein hoher oder gar wachsender gesellschaftlicher Zusammenhalt attestiert. Ebenso ist die Wahrnehmung bei Alleinlebenden, Alleinerziehenden, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Einschränkungen. In den östlichen Bundesländern ist die Beurteilung stets schlechter als in den westlichen Bundesländern.
Schulterblick in den Rückspiegel
Zwar ist der Zusammenhalt in der unmittelbaren Lockdown-Phase der Corona-Pandemie leicht gestiegen. Aber: Der Anstieg erfolgt in wesentlichen Kriterien von einem sehr niedrigen Niveau aus. Zudem ist es ein Schulterblick in den Rückspiegel. Schon auf mittlere Sicht in die Zukunft nehmen die Bedenken in der Bevölkerung spürbar zu.
Konkret: Laut Bertelsmann-Stiftung stieg der Zusammenhalt in der Bevölkerung in der Corona-Krise. Die Basis dafür war jedoch wie in den vergangenen Jahren mit weniger als 50 von 100 Punkten äußerst gering. Insbesondere die abgefragten Kriterien Gerechtigkeitsempfinden, Solidarität und Hilfsbereitschaft, gesellschaftliche und politische Teilhabe und das Institutionen-Vertrauen weisen grundsätzlich sehr geringe Werte auf. Die Verbesserung in der akuten Corona-Krise geht hauptsächlich auf die Einschätzung der Befragten zurück, dass die Krise in Deutschland bisher „weitgehend glimpflich“ verlaufen ist.
Massiver Vertrauensverlust in staatliche Institutionen
Zweite Aussage: Das Vertrauen in die Regierung hat zugelegt. Auch das ist nur eine Momentaufnahme. Sie vergleicht den Stand von Juli mit dem von März.
Ebenso richtig ist: Das Vertrauen in die Institutionen ist im Trend weiter rückläufig. Der Gesamtindexwert (Institutionenvertrauen) ist gegenüber März bis Juli von 53 auf 51 Punkte zurückgegangen.
Große gesellschaftliche Einigkeit – in der Beurteilung der Institutionen
Die „Abwärtsdynamik (sei) auf Ebene der Einzelindikatoren besorgniserregend“. Das Vertrauen in politische Parteien, die Bundesregierung und den Bundestag hat in den drei Jahren einen spürbaren Verlust erlitten. Die Streuung der Einschätzungen ist über die unterschiedlichen sozio-ökonomischen Schichten in Deutschland gering. Anders gesagt: Es sind sich alle weitgehend einig in der schlechten Beurteilung dieser Kriterien.
Pessimistischer Blick in die Zukunft
Mit Blick auf die Zukunft verändert sich das kurzfristig positiv angehauchte Bild gravierend. Die übergeordnete Wahrnehmung der Deutschen ist, dass sich die sozialen Unterschiede verstärken. Mehr als jeder zweite Befragte sagt, dass Corona die Chancen der „kleinen Leute“ beschränkt (55%). Drei von zehn Erwerbstätigen sind seit dem zweiten Quartal von Jobverlust oder Kurzarbeit betroffen und haben wachsende Zukunftsängste.
Die Verlagerung von Arbeit ins Home Office – und damit oft verbunden die parallele Verpflichtung zur Kinderbetreuung – wird von weiteren 14% aller Befragten als „massiver Einschnitt“ empfunden. Und: 70% aller Befragten geben an, ihre täglichen Kontakte deutlich einzuschränken und das als negativ zu empfinden.
Deutliche Sorgen
Für die Zukunft lassen sich umfassende Sorgen erkennen. Schon jetzt sehen 48% der Befragten größere soziale Unterschiede als früher. Weitere 30% gehen davon aus, dass diese gleichgeblieben sind.