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Gerhard Schick, Die Grünen, im Samstags-Interview

„Das Problem war der Mangel an Ideen“

Vor einem nächsten Hilfspaket für Griechenland und in der aktuellen Diskussion um die Reform der Erbschaftsteuer sowie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sprachen wir mit Dr. Gerhard Schick, seit 2007 finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, seit 2008 Mitglied im Parteirat der Grünen.

Red.: Wie ist Ihre Einschätzung der Erbschaftsteuer-Reform, tragen Sie sie mit?

G.S.: Der Vorschlag von Finanzminister Schäuble, sich jetzt auf die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zu konzentrieren, ist richtig und sein konkreter Umsetzungsvorschlag ist ein tragbarer Kompromiss, auch wenn wir im Detail noch Fragen haben.

Red.: Wie sieht es mit den Regierungsplänen zur schrittweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus?

G.S.: Wir werden die Mittel aus dem Solidaritätszuschlag auch künftig brauchen. Dies muss jedoch neu begründet und explizit an den Aspekt der Solidarität geknüpft werden, die dann nicht nur zwischen Ost und West, sondern in alle Himmelsrichtungen gilt – dem Bedarf entsprechend. Allerdings dürfen wir den Soli nicht isoliert betrachten. Zentral ist, dass wir die Altschuldenproblematik angehen. Dazu schlagen wir Grüne schon seit langem einen Altschuldentilgungsfonds vor, um die überschuldeten Kommunen zu entlasten. Außerdem muss zum Beispiel die Steuerverwaltung effizienter gemacht werden, dazu brauchen wir mehr Kompetenzen beim Bund. Es geht nicht nur um den Soli, es geht um ein ganzes Paket.

Red.: In der Griechenland-Frage haben Sie sich bislang sehr solidarisch mit den Hellenen verhalten. Soll das so weiter gehen, auf Kosten des deutschen Steuerzahlers? Letzterem gegenüber sind Sie, was die Erhöhung und Eintreibung von Steuern anbelangt, nicht so nachgiebig, quasi reziprok zur Freigebigkeit gegenüber Griechenland, so der Eindruck.

G.S.: Wir wollen Fairness gegenüber der griechischen Bevölkerung. Die ist in einer sehr schwierigen Situation. Man sollte, schon im wohlverstandenen Eigeninteresse, versuchen mit Weitblick zu agieren. Das „Unternehmen Griechenland“ zu sanieren steht dabei im Fokus. Als Gläubiger will man doch möglichst viel von seinen Vermögenswerten retten. Da ist es kontraproduktiv, auf die Schnelle und kurzfristig populäre Lösungen zu fordern. Die Griechen müssen die Chance bekommen, ihre Schulden zurück zu zahlen. Neue Griechenland-Hilfen müssen gleichzeitig auch ganz klar an Bedingungen geknüpft werden. Strukturelle Veränderungen sind geboten. Das heißt vor allem, den Kampf gegen die Korruption voran zu treiben und Steuern von reichen Griechen einzutreiben. Bislang wurde vor allem auf Kürzung von Sozialleistungen und Privatisierungen gesetzt – mit verheerendem Ergebnis. Wir brauchen völlig neue Wege zur Sanierung Griechenlands. Insofern muss man den Griechen aber auch Zeit geben, es ist ein Prozess.

Red.: Die hatte Griechenland doch. Die Hilfspakete laufen seit 2010.

G.S.: Der Druck der Troika führte eben nicht zu strukturellen Veränderungen, sondern zu unsinnigen Privatisierungen, massiven Kürzungen an der falschen Stelle und in eine fünf Jahre andauernde Rezession. Die Erhöhung des Drucks durch die Institutionen an der falschen Stelle, birgt auch die Gefahr, dass die Gläubiger nichts zurückbekommen. Gleichzeitig ist das geopolitisch brandgefährlich. Etwa wenn Griechenland gezwungen ist, mit Russland oder China über Milliardenkredite zu verhandeln oder aber bei Neuwahlen eine Radikalisierung der griechischen Politik erfolgt.

Red.: Ihre Parteiführung besteht aus einer Doppelspitze – momentan Cem Özdemir und Simone Peter. Die gilt nicht als sonderlich durchschlagskräftig. Sollte an dem Prinzip etwas geändert werden?

G.S.: Die Doppelspitze bleibt, da sich dieses Prinzip bewährt hat. Ohnehin ist die paritätische Beteiligung von Frauen der richtige Weg. Das finden auch die Menschen in Deutschland wie Umfragen immer wieder zeigen. Etwas, das in der Sache richtig und gleichzeitig für unsere Wählerinnen und Wähler attraktiv ist, ändern wir nicht.

Red.: Bei der letzten Bundestagswahl gab es allerdings eine herbe Niederlage.

G.S.: Der Grund dafür war, dass es uns nicht gelungen ist, unsere Innovationskraft genügend darzustellen. Unsere Kernwähler wollen sehen, dass wir eine Vision einer nachhaltigen Gesellschaft haben. Wie überwinden wir die Massentierhaltung und sorgen für gutes Essen für alle? Wie stoppen wir die immer stärkere Spaltung der Gesellschaft und wie bauen wir die Wirtschaft so um, dass sie Klimaschutz und Wohlstand gleichermaßen ermöglicht? Das Problem war nicht in erster Linie die Steuerthematik, wie oft geschrieben wurde, sondern der Mangel an großen zukunftsweisenden Ideen. Aus diesen Fehlern haben wir gelernt.

Red.: Sie haben sich den Green New Deal, angelehnt an US-Präsident Roosevelts New Deal aus den 1930ern, auf die Fahnen geschrieben. Worin wollen Sie investieren, woher soll das Geld kommen?

G.S.: Die Investitionsquote in der EU ist niedriger als vor der Krise. Wir brauchen dringend Investitionen in erneuerbare Energien, in die Sanierung bestehender Infrastrukturen, in den Ausbau der Schienennetze und in die Breitbandversorgung in ganz Europa – auch in den ländlichen Regionen.

Dazu wollen wir das Investitionsklima verbessern, Investitionen stärken, aber ohne neue Verschuldung. Darum  müssen wir uns die Einnahmeseite genau anschauen. Jedes Jahr gehen der EU eine Billion Euro durch Steuervermeidung und –hinterziehung verloren. Geld, das wir in Investitionen stecken wollen. Der LuxLeaks-Skandal hat gezeigt, wie sehr dieses Geschäft zum Normalfall geworden ist. Darum schlagen wir einen Steuerpakt vor. Wir müssen so genannte Tax-Rulings künftig unterbinden. Auch bei so genannten Karussellgeschäften bei der Umsatzsteuer sind noch enorme Reserven zu heben.

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