Die Alternative wird eingebürgert
Die AfD schlägt ein neues Kapitel auf. Der Bundesparteitag am Wochenende markiert die Wegscheide weg von der reinen Protestpartei hin zu einer Partei der rechten bürgerlichen Mitte. Die AfD muss dabei den künftigen Weg soweit skizzieren, dass sie mit ihrer Arbeit im Bundestag den bisherigen Erfolg stabilisieren kann.
Mehrere Entwicklungen kommen der Alternative für Deutschland zupass. Die wichtigste: Tritt die SPD nun doch in die Große Koalition ein, ist die AfD die größte Oppositionspartei. In dieser Funktion sorgt sie gegenüber allen Regierungsvorhaben für die erste Positionierung im Parlament. Da kann sie mit Sachbeiträgen punkten, die über Polemiken hinausgehen.
Veränderte Wahrnehmung
Schon durch ihre bloße Anwesenheit im Parlament ändert sich die öffentliche Wahrnehmung. Die Medien übertragen jetzt Debattenbeiträge live. Sie zitieren aus Redebeiträgen zu Sachthemen. Auch der Bundesparteitag wird auf Phoenix übertragen. Ganz langsam schwindet so das Schmuddel-Image – solange keine inhaltlichen Ausfälle erfolgen.
Die FDP sorgt für eine schleichende Eingemeindung ins bürgerliche Lager. Denn die Liberalen sind inhaltlich an die AfD herangerückt (Europapolitik, Einwanderungspolitik). Aus bürgerlichen Kreisen kommen zudem die meisten AfD-Abgeordneten, dort verortet sich auch ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft.
Fragmentiertes bürgerliches Lager
Das bürgerliche Lager fragmentiert sich. Links stehen die Grünen, rechts taucht die FDP auf, noch weiter rechts auf der politischen Landkarte ist die AfD zu verorten. Gegen beide im Kern bürgerlichen Parteien muss sie sich jetzt profilieren. Sie muss sich zugleich in die Formen der parlamentarischen Demokratie (Ausschussarbeit) einbringen und auch inhaltlich echte Alternativen aufzeigen.
Diesen politischen Chancen auf Stimmen-Zugewinn stehen Risiken in ähnlichem Ausmaß entgegen. Das bloße Zuspitzen von Positionen wie im Wahlkampf wird immer weniger funktionieren. Damit verliert die AfD möglicherweise einen Teil ihrer auf Protest gebürsteten Wählerschaft.
Konkurrenz in der bürgerlichen Mitte
Doch vor allem die Union kommt zunehmend zwischen die bürgerlichen Fronten. So wie vor zehn Jahren die SPD zwischen Grünen und Linken aufgerieben wurde, so droht ihr nun das ähnliche Schicksal zwischen linksbürgerlichem Lager (Grün) und (national) liberalem, wertekonservativem Lager mit FDP und AfD.
Fazit: Die eigentliche (riskante) Richtungsentscheidung für die AfD kommt erst, wenn ihr eine Partei das Mitregieren anbietet. In Hannover müssen sich die Delegierten damit noch nicht befassen.