Die Streitigkeiten innerhalb der neuen Bundesregierung sollten nicht überbewertet werden. Egal, ob bei Vorratsdatenspeicherung, Drohnenkäufen, Pkw-Maut oder Zuwanderungsdebatte: Von einer ersten ernsten Regierungskrise kann keine Rede sein. Die Parteichefs geben vielmehr ihren neuen Fachministern Raum zur Profilierung. So dürfen sich SPD-Justizminister Heiko Maas und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) durch öffentlichkeitswirksame Vorstöße im Bewusstsein der Wähler verankern. Maas verwirft einfach mal die klaren Regelungen des Koalitionsvertrages zur Vorratsdatenspeicherung; Dobrindt treibt die umstrittene Pkw-Maut mit Verve voran und räumt innenpolitische Hürden weg. Doch kein Parteichef rührt sich. Als Gegenparts treten Politiker aus der zweiten Reihe wie der allgemein geschätzte, aber wenig durchsetzungsfähige CDU-Rechts- und Innenexperte Wolfgang Bosbach in Erscheinung. Merkel, Gabriel und Seehofer sitzen wiederum derart fest im Sattel, dass sie die Zügel erst einmal schleifen lassen können. Bei aller „Beinfreiheit“ für die Neuen ist deren Spielfeld dennoch eng abgesteckt. Debatten finden ausschließlich zu Themen statt, die den Zusammenhalt der Großen Koalition nicht grundsätzlich gefährden. Eines machen die Zankereien allerdings schon deutlich: Der Koalitionsvertrag ist keinesfalls die Bibel der neuen Bundesregierung (FB vom 12.12.2013). Vielmehr wird er von allen drei Vertragspartnern als weitgehend unverbindlich betrachtet. Wenn es Maas recht ist, bereits Abmachungen aus dem Vertrag zu verwerfen, wird das der Union bei anderen Themen billig sein. Immer deutlicher wird: Der Vertrag diente lediglich als PR-Broschüre, um die störrische SPD-Basis hinter die Parteiführung zu bringen – ein rein machttaktischer Zug von Sigmar Gabriel, der nun stets auf 70% Rückendeckung durch die Parteimitglieder verweisen kann. In der Sache müssen die meisten Punkte des Vertrages dann verhandelt werden, wenn das Gesetzgebungsverfahren unmittelbar ansteht.
Fazit: Die Große Koalition wird auch künftig für zahlreiche öffentlichkeitswirksame Scharmützel gut sein. Daran wird die Bundesregierung jedoch nicht scheitern. Für die kommenden Jahre gilt mehr denn je Helmut Kohls alter Spruch: „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“