Dröhnendes Schweigen
Erst der billionenschwere Doppelwumms (beim Geldausgeben), jetzt die Dreifach-Null (beim Wirtschaftswachstum: IWF (0,0%) und Wirtschaftsministerium (+0,3%) sagen Stagnation nach leichter Rezession im nun dritten Jahr in Folge für Deutschland voraus. Das heißt: Sie geben wenig auf den neuen Kanzler und die ab Mai regierende schwarz-rote Koalition und ihre Vorhaben.
Für Friedrich Merz bedeutet das: Seine Chancen, die Stimmung zu drehen und Deutschland zu einem Land zu machen, „in dem der Staat wieder funktioniert, in dem sich Leistung wieder lohnt, auf das wir wieder stolz sein können“, sinken rapide. Daran ändert auch das aktuelle ifo-Konjunkturbaormeter wenig. Zwar beurteilen die Unternehmen ihre aktuelle Lage positiver. Die Erwartungen trübten sich jedoch ein. Die Unsicherheit unter den Unternehmen hat zugenommen.
100 Tage Zeit
100 Tage: So lange gibt Mario Voigt, CDU-Ministerpräsident in Thüringen, der neuen Bundesregierung, das Ruder herumzureißen. Einfach wird das nicht: Unter Wirtschaftsverbänden und bei den Wirtschaftsforschungsinstituten herrscht bei dieser Frage dröhnendes Schweigen. Sie wollen sich nicht zu Friedrich Merz (CDU) Wirtschaftskurs äußern. FUCHSBRIEFE hat unterschiedliche Wirtschaftsinstitute wie das DIW, die iW Köln, oder das ZEW angefragt, eine Einschätzung abzugeben, wie sich die wirtschaftspolitische Lage unter Merz entwickeln wird und wie lange er Zeit hat, eine konjunkturelle Wirkung zu erzielen. Mehr als Ausflüchte kam dazu nicht. Die Wirtschaftsinstitute wollten hierzu entweder gerade keine Expertise im Haus haben, oder sie wollten sich nicht politisch äußern. Auch das ifo-Institut hüllt sich diesbezüglich in Schweigen.
Der BGA, der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V. hat sich nicht zurückgemeldet. Der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie, verweist auf vorhandene Pressemitteilungen, die den Koalitionsvertrag behandeln. Darin begrüßt der BDI das Koalitionsvorhaben und appelliert, dass eine schnelle Umsetzung folgen soll. Auch das DIHK appelliert mit denselben Forderungen: „Veränderungen nicht nur im Gesetzblatt“, sondern eine rasche Umsetzung. Das DIHK erwartet einen Reformwillen von der Regierung.
Zeit bis zur Sommerpause
DIHK-Präsident Peter Adrian traut sich, konkrete Aussagen zu machen. So sei eine Unternehmenssteuerreform ab 2028 zu spät und das vorliegende Paket reiche nicht aus, um eine Trendwende zu schaffen. Aus anderen Kreisen hört FUCHSBRIEFE, dass Merz einen Vertrauensvorschuss der Wirtschaft hat, weil er die Koalitionsverhandlungen schnell umgesetzt hat und eine realistischere Perspektive auf die Wirtschaft hat als Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Aber die Sommerpause ist der Stichtag. Davor müssten die Weichen gestellt sein, meint Adrian, um „das notwendige Aufbruchsignal zu senden“. Was auf dem Papier steht, muss priorisiert und umgesetzt werden.
Merz begreift die Dringlichkeit. Doch reicht das?
Die Dringlichkeit, der Bevölkerung und Wirtschaft ein Signal zu senden, scheint auch Merz zu begreifen. Die Bevölkerung müsse bis zum Sommer merken, dass die neue Regierung einen Unterschied herbeiführt, meint der angehende Kanzler. Hierzu will sich Merz etwas Zeit kaufen und die parlamentarische Sommerpause verkürzen, die in der Regel den Juli und August umfasst. Zusätzlich wird Merz wohl im Blick haben, dass kurz nach der Sommerpause, Mitte September, die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen anstehen.
Für Merz wird das ein harter Weg. Denn selbst bei den sogenannten Multiplikatoren – also denjenigen, die in Wirtschaft und Öffentlichkeit Meinungen prägen – ist es ihm bislang nicht gelungen, Begeisterung oder zumindest Zuversicht zu wecken. Das Schweigen der Verbandsvertreter muss ein ernstes Warnsignal für Merz und die CDU bzw. die Union insgesamt sein. Die Verbände stehen offensichtlich nur mit Vorbehalt hinter dieser Regierung.
Mittelstand reißt Steine aus der Brandmauer
Vorzeige-Mittelständler Reinhold Würth, bisher ein resoluter Gegner der AfD, reißt erste Ziegel aus der "Brandmauer". Würth spricht sich für eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung unter Führung von Friedrich Merz aus – notfalls auch im Rahmen einer Minderheitsregierung. Es gehe um Inhalte – nicht um Parteifarbe.
All das sind unübersehbare Zeichen. Und sie lassen nichts Gutes ahnen – weder für die Wirtschaft noch für die Union oder diese neue rot-schwarze Koalition, ob man sie nun als kleine GroKo oder Möchtegern-GroKo bezeichnen möchte. Und das gleich zu Beginn ihrer Amtszeit.