FDP: Liberaler Übermut
Die FDP sieht sich im Aufwind. Die Spitzenleute der Partei geben sich mehr als mutig. Das kann nach hinten losgehen.
FDP-Vize Wolfgang Kubicki setzt Parteichef Christian Lindner im Vorfeld des großen Wahljahres 2017 gehörig unter Druck. Auf einem Presseabend der Liberalen ließ der äußerst selbstbewusst auftretende Talkshow-Dauergast Kubicki ganz im Sinne und Ton seines ehemaligen Buddys Jürgen Möllemann verlauten, die Liberalen seien für zweistellige Ergebnisse gut. In Schleswig-Holstein – da ist Kubicki am 7. Mai selbst Spitzenkandidat –, in NRW – da tritt Christian Lindner eine Woche später an – und im September im Bund. Dort will Lindner die Liberalen ebenfalls anführen. Das erinnert an das Projekt 18% – mit dem sich 2002 der junge Spitzenkandidat Guido Westerwelle lächerlich machte. Der betont leger auftretende Lindner – grauer Dreiteiler, schwarzes T-Shirt und 2-Tage-Bart – lächelte etwas gequält zu Kubickis „Wahlvorgabe“. Der altgediente liberale Spitzenmann aus dem hohen Norden hielt sich obendrein zugute, dass er es mit seiner Holstein-Truppe sei, der die AfD im eigenen Bundesland klein halte. Lindner hatte nicht seinen besten Abend. Außer zur Schau getragenem Selbstbewusstsein kam nicht viel an eindeutigen Botschaften rüber. Das zentrale Thema der Liberalen 2017? Unklar. Die angekündigten Roten Linien für künftige Koalitionen? Verwaschen und schwer erkennbar. So vermissten etliche Zuhörer ein klares Statement zu dem, was etwa Bundesverfassungsrichter Peter Müller (CDU) die Rechtsvergessenheit in Europa nennt. Zu der hat die Kanzlerin mit der zeitweisen Außerkraftsetzung des Dublin-Abkommens ihren Teil beigetragen, und das macht sie angreifbar. Überhaupt wirken die Spitzenliberalen längst nicht mehr so grundsätzlich, wie sie noch vor 12 Monaten tönten. Man scheint sich darauf zu verlassen, dass es eine neue Sehnsucht nach der FDP gibt. Insbesondere im Unternehmerlager ist der Wunsch nach einem bürgerlichen Gegengewicht zum Linkskurs der Kanzlerin tatsächlich groß. Aber Lindner gilt als „unecht“. Selbst der verstorbene Ex-Parteichef Guido Westerwelle, dem stets ein Mangel an emotionaler Nähe nachgesagt wurde, wirkte bei dem, was er propagierte, authentischer. „Lindner formuliert die Sätze brillant, aber er sagt die Dinge nicht aus einer inneren Haltung heraus“, so empfindet es mancher (FDP-Parteigänger) im Unternehmerlager.
Fazit: Die Liberalen haben 2017 gute Chancen, in Ländern und Bund wieder in die Parlamente einzuziehen. Stolpern kann die FDP noch über sich selbst. Übrigens: Beim Projekt 18% kamen am Ende 7,4% heraus. Das ist doch eine schöne Vorgabe.