Gabriel, der Anti-Basta
Der SPD-Vorsitzende Gabriel vermeidet innerparteilichen Streit. Die lange Leine spart Nerven und soll 2017 die ersehnte Kanzlerschaft bringen.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will mit einer Konfliktvermeidungsstrategie die Kanzlerschaft 2017 erringen. Der Chef der diskussionsfreudigen Partei setzt dazu auf laissez faire statt Führung. Er meidet Konflikte mit und innerhalb der Partei wie der Teufel das Weihwasser. Denn er braucht die Mitglieder in drei Jahren zum freudigen Plakatekleben. Auch will er nicht wie zahlreiche seiner Vorgänger (Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Kurt Beck und als Kanzlerkandidat Peer Steinbrück) mindestens zum Teil an der Partei scheitern. Um dieses Ziel zu erreichen, lässt die Berliner Parteizentrale jetzt alle gewähren. Keine früheren SED-Mitglieder aufnehmen! Keine Koalition mit der Linken! Alles Vorgaben von gestern. In Sachsen entscheiden die Mitglieder – wie schon im Bund – über den Koalitionsvertrag. In Thüringen könnte die SPD als Juniorpartner unter einem Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow mitregieren – ohne Veto aus Berlin. Personalfragen wie die des neuen Berliner Regierenden Bürgermeisters machen die Landes-Genossen unter sich aus. Gabriels Kalkül: Je weniger er interveniert, desto unangefochtener ist seine Spitzenposition bei der Bundestagswahl. Wenn es keinen innerparteilichen Streit gibt, wird die SPD ihm dann ohne zu murren in den Wahlkampf folgen. Das spart auch Nerven für die – wie auch immer geartete – Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Allerdings verlangt Gabriels Gegenmodell zur Basta-Politik eines Gerhard Schröder den Verzicht auf inhaltliche Auseinandersetzungen. Damit ähneln die Sozialdemokraten immer mehr der CDU unter Angela Merkel. Bloß nicht anecken, weder nach innen noch nach außen. Die wesentlichen Punkte (Mindestlohn, Rente mit 63) sind ja schon abgearbeitet. Die SPD wird nach allen Seiten koalitionsfähig. Damit wird das politische Geschäft immer mehr zur bloßen Personenwahl. Und: Der Kern der Parteiendemokratie, das Ringen um die beste Lösung, geht verloren. Andererseits: Parteien, die sich klar positionieren, holen diejenigen Wähler ab, die ihr Kreuzchen nicht beim Stillstand machen wollen.
Fazit: Gabriel hat seine Strategie gefunden. Er hat die Streitaxt gegen die Kuscheldecke eingetauscht, um ins Kanzleramt zu kommen. Ist er erst dort, zählt nur noch eins: der Erfolg der Regierung.