Grüne hoffe auf den Merz-Effekt
Die Grünen hoffen auf einen Merz-Effekt. Gerade eben waren sie noch in der Defensive mit den Themen Sozialbeiträge auf Kapitalerträge und der blamablen Gelbhaar-Affäre. Jetzt will die Partei vom Migranten-Vorstoß des CDU-Kanzlerkandidaten profitieren. Die Chancen dafür stehen sogar gut. Merz hat sich zum doppelt Getriebenen gemacht.
Die Grünen wittern angesichts des überraschenden Merz-Vorstoßes in der Migrationsfrage Morgenluft. Das hat sich auf dem Wahlparteitag der Grünen gezeigt. Auf dem hat die Partei nur vier Wochen vor dem Urnengang ihr Wahlprogramm beschlossen.
Spitzenkandidat Robert Habeck will nun vom Merz-Vorstoß profitieren. Weil die Union nach rechts rücke und "sogar Stimmen der AfD im Parlament akzeptieren will", habe sie die Brandmauer eingerissen. Habeck verstieg sich im TV sogar zu der Aussage, dass es besser sei, in der Sache "richtige Anträge nicht einzubringen, wenn die falschen dafür stimmen" könnten. Das ist in den Augen mancher Beobachter ein problematisches Demokratieverständnis.
Merz-Vorstoß verdeckt grüne Schwachstellen
Die aufgeflammte Migrations-Debatte liefert den Grünen reichlich Anlässe, von eigenen Schwachstellen abzulenken. Noch vor wenigen Tagen hatte Habeck mit der völlig undurchdachten Forderung einen Kommunikations-GAU erlebt, künftig auch auf Kapitalerträge Sozialbeiträge zu erhalten. Gleich danach hatte die Gelbhaar-Affäre die Grünen erschüttert. Der Grund: Die Vorwürfe gegen den Abgeordneten Gelbhaar waren frei erfunden. Dennoch haben die Grünen bekräftigt, an der Umkehrung des Rechtsstaates festzuhalten und dem Opfer zu glauben. Die im Rechtsstaat übliche Unschuldsvermutung sei nicht relevant, die Beweislastumkehr habe für die Partei Bestand.
Schwarz-Grün wird immer unwahrscheinlicher. Noch vor kurzem hatte Merz sich einen "Wirtschaftsminister Habeck vorstellen können". Das dürfte mit dieser neuen programmatischen Distanz für keine der beiden Parteien wohl mehr denkbar sein. Allerdings erwächst daraus das nächste Dilemma von Merz.
Merz wird zum doppelt Getriebenen
Merz wird zum von zwei Seiten Getriebenen. Neben der AfD werden nun auch die Grünen und die SPD versuchen, ihn vor sich herzutreiben. Mit rechts will Merz nicht zusammenarbeiten, das zwingt ihn aber auf die linke Seite. SPD und Grüne werden aber Bedingungen stellen, um mit Merz zu stimmen. Andernfalls macht er sich angreifbar, die Brandmauer einzureißen.
Fazit: Merz hat seinen Handlungsspielraum mit seinem Migrations-Vorstoß verengt. Er wird eine Richtungsentscheidung treffen und Bedingungen politischer Kontrahenten akzeptieren müssen. Oder er hat den Mut, auch als Kanzler einer Minderheitsregierung in jeder Sachfrage Mehrheiten zu organisieren - ohne "nach links oder rechts zu schauen."