Keine Lust auf Abbau
Die Große Koalition treibt Bürokratiekosten und –aufwand wieder nach oben.
Obwohl der Bürokratieaufwand in Deutschland vielen Betrieben sehr hoch vorkommt – er könnte noch weitaus opulenter sein. Die „Chefsache Bürokratieabbau“ von Kanzlerin Angela Merkel in den letzten Legislaturperioden sowie der 2006 eingerichtete Normenkontrollrat (NKR) hätten durchaus Wirkung gezeigt, meint der DIHK. Vor allem für den von dem Ex-Bahnchef und Kohl-Vertrauten Johannes Ludewig geleiteten NKR hat Ulrike Beland, Leiterin des Referats Koordination wirtschaftspolitischer Positionen und Bürokratieabbau beim DIHK, viel Lob übrig: Das Gremium wirke vor allem durch seine wahrnehmbare Öffentlichkeitsarbeit. Davor würde sich die Politik am meisten fürchten – ähnlich wie vor dem Bundesrechnungshof, der ebenfalls keine unmittelbaren Verhinderungsmöglichkeiten bei Steuerverschwendung hat, aber informell wirkt. Beispielsweise habe der NKR eine kostenträchtige Veränderung des Herstellungskostenbegriffs im Einkommensteuerrecht verhindert, die KMU erheblich belastet hätte. Die Große Koalition treibt jedoch die Bürokratie wieder nach oben. Der Mindestlohn würde erhebliche Mehraufwendungen in den Betrieben verursachen, so Beland. Der Erfüllungsaufwand sei von der Regierung erst gar nicht berechnet worden. Auch das Elektrogerätegesetz und das Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz gehören zu den Bürokratietreibern der neuen Regierung. Der NKR selbst führt einen großen Teil der deutschen Bürokratielasten auf Brüssel zurück. Über 50% (25,4 Milliarden Euro) der für die deutsche Wirtschaft ermittelten jährlichen „reinen Bürokratiekosten“ sind aus Informationspflichten durch EU- und internationales Recht veranlasst. Darin noch nicht enthalten sind die unmittelbar geltenden EU-Verordnungen. Beland sieht dahinter eine politische Kreislaufwirtschaft: Hinter den meisten EU-Initiativen stecke ein nationales Interesse; die Regelungswünsche würden nur über Brüssel lanciert. Auch der EU täte ein Normenkontrollrat gut, ist der DIHK überzeugt. Bisher sei dafür aber keinerlei Bereitschaft in Kommission, Parlament und Rat zu spüren. Man sei sich dort sicher, dass man bereits ein waches Auge auf das Thema habe. Auch in den Programmen der politischen Parteien zur Europawahl könnte der Bürokratieabbau größeren Raum einnehmen. Denn trotz einiger Anstrengungen in den letzten zehn Jahren seien konkrete Verbesserungen des EU-Regelungsumfelds für Unternehmen bislang kaum zu spüren. Wirkung erzeuge nur eine unabhängige, auf eigene Öffentlichkeitswirkung bedachte Institution wie der NKR, meint die Kammervertretung. Zum Wirken des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten und Bürokratieabbau-Beauftragten auf EU-Ebene, Edmund Stoiber, kommt dagegen nur beredtes Schweigen.
Fazit: Die GroKo ignoriert zentrale Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmen. Die Erfolge beim Bürokratieabbau der letzten Jahre drohen zum Teil wieder verloren zu gehen.