Kommunen: Schulden ohne Bremse
Ländern und Kommunen greifen immer öfter zu Kassenkrediten, um Schuldenbremsen zu umgehen. Gesetzliche Einschränkungen werden aufgeweicht.
Die Umgehungsabsicht der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse durch die Länder wird immer deutlicher. Die Kommunen, die nicht formale Adressaten der Schuldenbremse sind, sollen dabei helfen. Ihnen werden immer mehr (soziale) Aufgaben aufgebürdet. Das hat immer höhere Schulden zur Folge. Wo das noch nicht ausreicht, wie in Berlin, zwingt das Land kommunale Betriebe, ihre Schulden zu erhöhen oder will deren Überschüsse zur Beschleunigung des Abbaus des Investitionsstaus nutzen. Außerdem will die neue rot-rot-grüne Landesregierung neue Landesgesellschaften gründen, um mehr Finanzmittel locker zu machen. Die Kommunen dürfen Kredite nur für Investitionen aufnehmen. Doch Gemeinden greifen verstärkt auf Überbrückungskredite für akuten Liquiditätsbedarf (Kassenkredite) zurück. Deren Zweckentfremdung wird zum Teil direkt in der Kommunalverfassung legitimiert und die Kommunalaufsicht der Länder schaut darüber hinweg. Die Bundesbank kritisiert in ihrem Monatsbericht Oktober, dass inzwischen in einigen La?ndern schon Kassenkredite mit Zinsvereinbarungen bis zu 10 Jahren erlaubt sind. Ohnehin sind die Länder kreativ. Einzelne haben Kassenkredite in „Liquiditätskredite“ umgetauft. Das Volumen der (erlaubten) Kassenkredite schwillt stark an. 1992 betrug es 1,2 Mrd. Euro. Jetzt sind es laut Bundesbank 51 Mrd. Euro. Bereits 1994 hob NRW als erstes Bundesland die Genehmigungspflicht für Kassenkredite auf. Zahlreiche Länder folgten nach. Kassenkredite sind aber nur ein Teil der kommunalen Schulden. Nach den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind die kommunalen Gesamtschulden im vergangenen Jahr um 3,4% (4,7 Mrd. Euro) auf den Rekordstand von 144,2 Mrd. Euro angestiegen. Die Länder mit den größten Problemen sind das Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Neuerdings gehört auch Sachsen-Anhalt dazu. Auffällig ist, dass sie die geringste Bereitschaft zeigen, durch die Aufstellung strikter Regelungen in Zukunft umzusteuern. Im Saarland wiesen schon Ende 2009 die Kassenverstärkungskredite der Gemeinden, Gemeindeverbände und kameral buchenden Zweckverbände ein höheres Niveau aus als die Kreditmarktschulden des Kernhaushaltes. Die Bundesbank empfiehlt, dass Kommunen sich künftig nur bei den Ländern verschulden dürfen. Denn die Länder sind für die kommunale Finanzausstattung voll verantwortlich. In den Landesregierungen aber möchte man nach unserer Information den Bund noch stärker an der kommunalen Finanzierung beteiligen. Der darf aber nur dort einspringen, wo er eigene Gesetzgebungskompetenzen hat. Bei noch größeren Bundeszuweisungen als derzeit vorgesehen hätte der Bund dann deutlich größere Eingriffsbefugnisse in die kommunale Verwaltung.
Fazit: Das Problem ist schon seit Jahren bekannt, wird aber nicht grundlegend angepackt. Etliche Länder werden die Kommunen auch zukünftig als Ventil nutzen, wenn es im Länderhaushalt eng wird.