Rot ist von gestern, Grün von übermorgen
Das linke Parteienspektrum ist so weit auseinander wie selten zuvor. Hier die SPD. Sie bejubelt das Gestern. Der Blick nach vorn weist bei den Sozialdemokraten zurück. Auf ihrem Debattencamp am Wochenende war das wichtigste Ergebnis die Abschaffung von Hartz IV. So als hätte Genosse Gerhard Schröder die Agenda 2010 damals durchgesetzt, um die eigene Partei vor die Wand zu fahren. Ein paar Jahre sprudelnde Steuerquellen haben die Genossen vergessen lassen, dass soziale Maßnahmen eine Finanzierung benötigen. Und dass das Geld nur dann fließt, wenn es der Wirtschaft gut geht.
Der SPD fehlen vor allem zwei Dinge:
Stallgeruch: ob Andrea Nahles, Olaf Scholz oder Kevin Kühnert – keiner aus der jetzigen und kommenden Führungsriege wirkt authentisch als Vertreter einer modernen Arbeiterschaft.
Und es fehlt der Blick für die Nöte der Mittelschicht. Wer Alleinstehende mit 54.000 Euro Jahreseinkommen mit dem Spitzensteuersatz belegt, hat das rechte Maß verloren. Wer Hartz IV in den Vordergrund seiner Politik stellt, kümmert sich vor allem um die Verlierer der Leistungsgesellschaft. Dass die SPD da die Masse ihrer Wähler verortet, spricht für sich.
Mit ihrem rückwärtsgewandten Kurs gerät die Sozialdemokratie erst recht in die Zange. Um die Abgehängten kümmert sich traditionell die Linke (die ebenfalls ein Problem mit Authentizität hat). Die linke Akademikerschaft wendet sich den Grünen zu.
Die neue Volkspartei?
Die Grünen schauen nach vorn. Ihre Visionen oder gar Utopien von Europa muss man nicht teilen. Aber sie haben welche. Ihr neuer Stil, lieber zu arbeiten, statt rumzunörgeln, kommt an. Sie sind die Partei der linken Besserverdienenden und ernten dennoch viel Sympathie. Die Medien deklarieren sie zur neuen Volkspartei um.
Fazit:
Vorerst kann es ein Projekt Rot-Grün nicht mehr geben. Die SPD bleibt auf dem absteigenden Ast. Die Grünen haben durchaus Grund, sich Gedanken über einen Kanzlerkandidaten zu machen.