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Finanzminister Lindner wird den Haushalt nachbessern müssen

Schuldenbremse auf wackeligen Beinen

Christian Lindner. © BMF / Photothek
Die Vorhaben des Bundesfinanzministers sind ehrenwert und sollen das Ansehen der FDP in der Wählerschaft retten: Christian Lindner plant einige wichtige und sinnvolle Steuererleichterungen und will sich auch als solider Haushälter beweisen. Doch seine Berechnungen basieren auf veralteten Zahlen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) versucht sich an der Quadratur des Kreises. Einerseits verspricht er Steuererleichterungen, zum anderen will er die Schuldenbremse einhalten. Beide Versprechen wird er nicht gleichzeitig erfüllen können; alleine schon deshalb, weil die Prognose zu den Steuereinnahmen ein Luftschloss ist.

Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen bereits ab 2023 vollständig steuerlich absetzbar sein, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Auch die sofortige Anpassung des Steuertarifs an die Inflationsrate bringt dem Steuerzahler Erleichterung. Doch sorgt sie gleichzeitig für weniger Geld in der Staatskasse. Eine weitere Erleichterung verpufft unmittelbar: Die EEG-Umlage wurde abgeschafft – dafür zahlen die Verbraucher jetzt deutlich mehr als Rettungsumlage für die Stadtwerke.

Luftschloss Steuereinnahmen

Das Problem: Der Bund ist in seiner Annahme der Steuereinnahmen für 2023 überoptimistisch. Das BMF rechnet im Haushaltsplan mit 10,3% mehr Steuereinnahmen als in diesem Jahr. Grundlage ist eine Wachstumserwartung von 2,4% und 2,5% in den Jahren 2022 und 2023.

Die Prognosen stammen aus dem April 2022. Doch seitdem hat sich die Welt konjunkturell ein paarmal gedreht. Die EU-Kommission schätzte im Juli 2022 für den gleichen Zeitraum das Wirtschaftswachstum in Deutschland nur noch auf 1,4% und 1,3%. Eine aktuelle Prognose der Berenberg Bank vom 5. August rechnet mit einem Plus von nur noch 1% in diesem und -1,4% im nächsten Jahr (für die Eurozone analog +2,6% in diesem und -1,1% im nächsten Jahr). Der Effekt wären Mindereinnahmen in Milliardenhöhe im Vergleich zur Haushaltsplanung.

Höhere Ausgaben durch höhere Inflationsrate

Bei den Ausgaben setzt das BMF zu wenig an. Der Bund geht von einer Inflation von "lediglich" 6,1% in diesem Jahr aus. Die EU-Kommission erwartet dagegen in Deutschland eine Inflation von 7,9%, Berenberg 8,0%. Eine höhere Inflation schlägt sich in der Höhe der Staatsausgeben nieder. Denn der Bund muss mehr für Güter, Dienst- und Transferleistungen ausgeben. Der Effekt sind grob gerechnet 1,9% an Mehrausgaben, die in der Planung nicht enthalten sind, in absoluten Zahlen rund 8 Mrd. Euro.

Hinzu kommen noch die steigenden Zinsen für Staatsschulden. Für diese sieht der Haushaltsplan in 2023 Ausgaben in Höhe von 29,6 Mrd. Euro vor. 2021 waren es erst 3,9 Mrd. Euro. Doch auch hier ist die Grundlage überholt. Denn die Bundesanleihen sind zum Teil an die Inflationsrate gekoppelt. So könnten die Zinszahlungen deutlich höher ausfallen, wenn der Bund bei der Berechnung nur eine Inflationsrate von 6,1% zugrunde gelegt hat. 

Sondervermögen der Bundeswehr

Auf die Steuermehreinnahmen, die durch die Inflation und die daraus folgende kalte Progression anfallen könnten, will Lindner wiederum verzichten. Geht es nach ihm, werden der Grundfreibetrag und die Schwellenwerte, ab denen ein höherer Steuersatz anfällt, bereits 2023 an die Inflation angepasst. Laut Bundesfinanzministerium sind die Mindereinnahmen von 17,9 Mrd. Euro durch das Aufheben der kalten Progression bereits im Haushaltsplan enthalten. Doch die Zahl ist schon Makulatur, da die Grundlagen nicht mehr stimmen.

Gar nicht im Haushaltsplan taucht die Ausgabe von 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr auf. Damit hat sich die Aussagekraft, ab 2023 würde die Schuldenbremse eingehalten, im Grunde schon erledigt. Denn in den kommenden Jahren wird ein großer Teil der Militärausgaben aus diesem Topf bestritten. Wie viel in jedem Jahr aus dem Sondervermögen Bundeswehr entnommen wird, ist nicht ersichtlich. Gemessen am Haushalt 2022 "spart" der Finanzminister durch den Zusatztopf in jedem Fall mehrere Milliarden Euro im Bundeshaushalt.

Maßvolle Staatsausgaben

Maßvolle Staatsausgaben sollen das Kunststück zur Einhaltung der Schuldenbremse bei gleichzeitigen Steuervergünstigungen für die Steuerzahler möglich machen. Die Ausgaben sollen im Vergleich zum Jahr 2022 um 50 Milliarden Euro sinken. Doch das Kunststück ist keins: Denn es sollen vor allem die (Sonder-)Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wegfallen.

Sparen will der Bund außerdem am Personal in den Ministerien. Dabei sollen alle Ressorts 1,5% der geplanten Stellen einsparen. Dennoch heißt das nicht, dass sich die Zahl der Stellen verringert. 2023 kommen sogar 2.508 hinzu. Dabei handelt es sich um Anwärter bei der Bundespolizei und beim Zoll. Steigen die Personalkosten, müssen Ministerien das Geld selbst aufbringen und an anderer Stelle sparen. Oder ein Nachtragshaushalt muss her. Das heißt: Lindner traut sich an echte und dauerhafte Einsparungen durch Leistungskürzungen nicht ran.

Fazit: Rechnen wir die Mindereinnahmen und Mehrausgaben durch konjunkturelle und inflationäre Effekte zusammen, ergibt sich allein dadurch eine satte Deckungslücke in zweistelliger Millardenhöhe. Gleichzeitig setzt sich Christian Lindner für das Einhalten der Schuldenbremse auf europäischer Ebene ein. In Deutschland soll ab 2023 die Schuldenbremse wieder gelten. Ergo: Lindner muss kräftig nachbessern.
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