Seiltanz ohne Netz für die Kanzlerkandidaten
Der europäische Asylkompromiss von letzter Woche belastet das deutsche Superwahljahr 2021. Gewählt wird nicht nur der Bundestag im September. Es stehen auch etliche Landtagswahlen an: am 14. März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, im April in Thüringen, am 6. Juni in Sachsen-Anhalt, bis September muss die Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses stattfinden sowie im Herbst die Landtagswahl in Mecklenburg- Vorpommern. Zudem wird am 14. März die Kommunalwahl in Hessen abgehalten und im Herbst werden in Niedersachsen die Bürgermeister neu gewählt.
Das heißt: Es gibt reichlich Vorwahlen zur Bundestagswahl. Und jede wird das politische Berlin in Aufregung versetzen. Das emotional aufgeladene Thema Asylpolitik möchten sich am liebsten alle Parteien außer der AfD ersparen. Die Alternative für Deutschland ist gerade in interne Machtkämpfe verstrickt und droht sich selbst zu dezimieren. Anhaltender Einreisedruck dürfte ihr wieder Auftrieb und innere Festigung verschaffen.
Unausgegorener Kompromiss
Europa hat gekreißt – und gebar ein Mäuschen. Eine echte Lösung für Asylthematik ist nach wie vor nicht in Sicht. Im Gegenteil: Durch die im Grunde jetzt auch formale Anerkennung der ablehnenden Haltung der Osteuropäer droht sich die Situation gerade für Berlin zu verschärfen und den Spaltpilz noch tiefer in die Bevölkerung zu treiben. Zwar sollen jetzt Länder, die Flüchtlinge aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen, aus dem EU-Budget 10.000 Euro pro Person bekommen. Bei Minderjährigen sind es 12.000 Euro. Doch da Deutschland den mit Abstand größten Anteil am EU-Budget trägt, übernimmt der deutsche Steuerzahler per se auch den größten Kostenanteil der Umverteilungsaktionen (ca. 3.000 Euro).
Denn das Ergebnis lautet: Freiwillige vor!“. Dazu gehört nun aber nicht mehr Österreich wie noch 2015, als Bundeskanzler Werner Faymann Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Hilfe rief; heute heißt Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und kommt nicht mehr von der SPÖ, sondern von der konservativen ÖVP und fährt einen konsequent restriktiven Kurs in der Asylpolitik. Dazu gehört auch nicht mehr Schweden, das lange Zeit durch eine besonders liberale Aufnahmepolitik auffiel. Inzwischen aber hat auch Stockholm erkannt, dass die Gewalt- und Bandenkriminalität im Zuge des hohen Ausländeranteils in den großen Städten des Landes, vor allem Malmö im Süden ist betroffen, massiv zugenommen hat und rechten Parteien anhaltenden Zulauf beschert.
Kritische Sommermonate
Genau das fürchten nun auch die Regierungsparteien CDU und SPD. Die CDU hat sich mit Merkels Kompromisslinie zwar die Tür für eine Koalition mit den Grünen ganz weit offen gehalten. Aber dass ein Parteivorsitzender Friedrich Merz als möglicher Kanzlerkandidat die liberale deutsche Haltung so mittragen wird, ist eher unwahrscheinlich.
Das Risiko ist anhaltender Druck auf die EU-Außengrenzen. Er ist gerade in den Sommermonaten, also unmittelbar vor der Bundestagswahl, besonders stark. Griechenland hat wie Italien aber bisher nicht die Institutionen, um die Asylverfahren schon an der Außengrenze ordentlich abzuwickeln. Europas größte und inzwischen gut eingearbeitete Asylbehörde ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das aber soll personell eher zurückgefahren werden.
Keine Lösung für überfüllte Läger
Fazit: Mit dem unausgegorenen Asylkompromiss haben sich insbesondere die Regierungsparteien Union und SPD einen Bärendienst erwiesen. Gerade wenn das Thema Corona abebbt, wird das Thema Asyl umso mehr Raum in der öffentlichen Debatte bekommen. Für die Kanzlerkandidaten wird das ein Seiltanz ohne Netz.