SPD richtet sich in der Verkrustung ein
Der Wiesbadener Erneuerungs-Parteitag der SPD wird den Abschwung der Sozialdemokratie befestigen. Wer Erneuerung will, muss auch Neues liefern. Doch da ist – nichts. Es regiert das alte Personal mit den alten Vorstellungen. Der hochgejubelte Juso-Nachwuchs oder die Gegenkandidatin von Andrea Nahles, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, blicken rückwärts. Sie haben beide keine Zukunftsperspektiven anzubieten.
Die Partei hat die babylonische Gefangenschaft der Großen Koalition hingenommen. Das Wort „Verantwortung übernehmen" war eine Falle, in die die Parteimitglieder getappt sind. Die Selbstversorger an der Parteispitze sägen nicht an dem Ast auf dem sie sitzen.
Das Dilemma der SPD ist die Realitätsferne ihrer Funktionäre. Es fehlt an strategischem Weitblick. Der einzige politische Erfolg im 21. Jahrhundert, Hartz IV, soll umstrukturiert werden. Mit dem Thema Flüchtlinge möchte die Parteispitze dagegen am liebsten nichts zu tun haben. Auf Ortsebene und im Bundestag lebt die SPD in unterschiedlichen Welten.
Schwerer Weg der Erneuerung
Am Wähler vorbei geht die Forderung nach Mehrzahlungen für die EU. Fraktionschefin Andrea Nahles pocht lautstark auf mehr Geld für Brüssel. Nur einen Entwurf für Europa in zehn oder 20 Jahren haben sie und ihre Partei nicht anzubieten. Kurz: Man will Geld zahlen und weiß nicht einmal wofür. Geld, das zwangsläufig woanders fehlt. Das ist Aktionismus pur. So begeistert man nicht Wähler, man vergrault sie.
Innerhalb der Partei wird keine Erneuerung gelingen. Sondern nur an der SPD und ihrem Stammpersonal vorbei. Die Bewegungen von Emmanuel Macron in Frankreich auf der Linken und von Sebastian Kurz in Österreich auf der Rechten zeigen, wie man verkrustete Strukturen aufbricht. Man muss als erstes die Altvorderen in der Partei kaltstellen – sie können sich nach gelungenem Wandlungsprozess wieder anschließen und in die zweite Reihe treten. Dazu braucht es eine charismatische Persönlichkeit, klare Kante, Bereitschaft zum politischen Streit, zur Festlegung und eine Vorstellung von dem, was ein Land voranbringt. Nichts davon bietet die SPD.
Die Sozialdemokraten haben ihren letzten großen Strategen vor langer Zeit an den Wettbewerb verloren. Oskar Lafontaine zeigt als einziger, dass er die Zeichen der Zeit verstanden hat. Er initiiert eine Bewegung im linken Spektrum. Seine Ehefrau Sahra Wagenknecht will mit ihrer Bewegung die Linke über die Grenzen ihrer Partei mehrheitsfähig machen. Doch auch Wagenknecht ist ein politisch beschriebenes Blatt und wird von daher keinen durchschlagenden Erfolg haben.
Fazit: Zu häufiger Aufbruch ermüdet. Die Parteiführung der SPD kann wieder nicht liefern. So kocht sie ihre Anhänger geradezu weich für eine Bewegung, die diese außerhalb der Partei mitnimmt.