Steuerreform als Schlüssel für Reduzierung der Schuldenlasten
Der Druck in Richtung einer Unternehmenssteuerreform nach der Bundestagswahl unter Einschluss der Gewerbesteuer steigt. Dabei geht es aus Sicht der Fachwelt weniger um eine Senkung der Steuersätze als um eine Entrümpelung des Steuerrechts.
Deutschland hat diesbezüglich einen hohen Reformstau. Die letzte Reform geht auf das Jahr 2008 (Tarifsenkung, Rechtsformneutralität) zurück. Seitdem haben viele Industrieländer ihre Unternehmenssteuern modernisiert (und gesenkt). Bei uns zielen die Jahressteuergesetze regelmäßig auf "Missbrauchsvermeidung" – was letztendlich auf verdeckte Steuererhöhungen hinausläuft. Mit einer ständigen Verkomplizierung des Steuerrechts bei zweifelhaftem Nutzen für den Fiskus würden Inlands-Investitionen ausgebremst, erklärte die Kölner Steuerrechtlerin Prof. Johanna Hey gestern Abend bei einer digitalen Podiumsdiskussion.
Verlustfeindliches und investitionshemmendes deutsches Steuersystem
Das deutsche Steuersystem insgesamt sei „verlustfeindlich“. Es hemmt private Investitionen. Diesen sind aber wiederum der Schlüssel für Wachstum – der Staat spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Wachstum wiederum ist nötig, um die aufgelaufenen Schulden aus der Coronakrise zu bewältigen. Deutschland hat hier ähnlich wie Frankreich laut ifo insgesamt fast 20 Prozentpunkte draufgesattelt (zum Vergleich Schweiz: 8 Prozentpunkte).
Aus Sicht der CDU formulierte der niedersächsische Finanzminister Hilbers die möglichen Eckpunkte. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer müssten auf 25% begrenzt werden. Hinzu müsste eine degressive Abschreibungsmöglichkeit insbesondere auf kurzlebige IT-Güter kommen, um Investitionen zu befeuern. Hilbers plädiert zudem für eine schnelle Wiedereinsetzung der Schuldenbremse. Sie sei keineswegs eine Investitionsbremse, wie Niedersachsen selbst bewiesen habe. Auch müsse der gegenwärtige Geist, der Staat könne alles regeln, „zurück in die Flasche“.
Gewerbesteuer (erneut) im Brennpunkt
Im Mittelpunkt einer Steuerrechtsreform müsse aber die Gewerbesteuer stehen, so Hey. Gerade mit Blick auf die Internationalisierung des Steuerrechts, Stichwort: globale Mindest-Unternehmensbesteuerung (von 15%). Hier käme es zwangsläufig zu Angleichungsprozessen innerhalb der EU, die die Beweglichkeit des deutschen Gesetzgebers einschränken würden. Somit schließt sich eher das Zeitfenster für eine Reform der Gewerbesteuer – von einer Abschaffung ist angesichts des massiven Widerstands der Kommunen nicht die Rede. Am besten im Rahmen einer erneuten Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wie Hilbers vorschlägt.
Die Gewerbesteuer sei jedenfalls eine fortdauernde Belastung für den Investitionsstandort Deutschland. Sie ist ein internationales Unikum und verursacht hohen Bürokratieaufwand. Zudem klaffen die Sätze weit auseinander. Im Schnitt liegen sie in den Flächenländern bei 324 Punkten in Brandenburg und 448,2 in NRW. Im Einzelnen reichen sie von 200 Punkten in der Gemeinde Neu-Zauche im Kreis Dahme-Spreewald (Brandenburg) bis hin zu 900 Punkten in der Mini-Gemeinde Dierfeld (11 Einwohner) im Kreis Bernkastel -Wittlich (Rheinland-Pfalz).
Umsatzsteuer: "Erhebungslücken" schließen
Auch die Umsatzsteuer rückt bei der Staatsfinanzierung ins Blickfeld. Hier geht es ebenfalls weniger um eine Anhebung der Sätze als um die Schließung von "Erhebungslücken" – ein Prozess, der ohnehin seit längerem, angetrieben von Brüssel, läuft. Das ist relativ geräuschlos und läuft vor allem auf mehr Digitalisierung und eine effektivere Überwachung der Unternehmen hinaus.
Vermögensteuer nur bei "echter" Linksregierung
Fazit: Für die nächste Bundesregierung und vor allem den künftigen Finanzminister zeichnet sich hier geradezu eine Jahrhundertaufgabe ab – aber eine möglicherweise lohnende. Auf jeden Fall wird ein solches Vorhaben über den Wohlstand im kommenden Jahrzehnt in Deutschland mitentscheiden. Denn die Hebelwirkung für die Attraktivität des Standorts ist nicht zu unterschätzen.