Tun und Lassen, was man will
Wirtschaftlicher Sachverstand ist in der Regierung rar geworden. Die Politikberater-Branche muss ihre Kommunikation darauf umstellen.
Der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik schwindet immer mehr. Das gilt nicht nur für die Lobbyvertretungen; es gilt auch für die mehr oder weniger neutrale Politikberatung durch die Wissenschaft. So ist es kein Wunder, dass anerkannter ökonomischer Sachverstand im In- und Ausland über die deutsche Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik nur noch den Kopf schüttelt – und niemanden in der Politik interessiert’s. Jüngst urteilte der ehemalige Chefökonom der EZB, Otmar Issing, Deutschland sei dabei, „geradezu mutwillig erfolgreiche Reformen in ihr Gegenteil zu verkehren“. Und der britische Economist meint zu Deutschland: schöne politische Welt, aber miese Politik. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Die Große Koalition muss keine Rücksicht auf eine starke Opposition nehmen. Selbstzufriedenheit macht sich breit. Motto: Weltweit wird die deutsche Politik gelobt; warum sollten wir nicht so weitermachen? Es gibt keinen Resonanzboden für inhaltliche Beratung. Wirtschaftlicher Sachverstand ist in der Regierung sehr rar geworden. Und das nicht erst seit dem Verschwinden der FDP aus dem Bundestag. Nur noch 35 Bundestagsabgeordnete stehen der Wirtschaft nahe. Ihre Durchschlagskraft ist gering. Es gibt keinen Grafen Lambsdorff und auch keinen Friedrich Merz mehr. Die wissenschaftliche Politikberatung sieht sich nur noch in der Rolle eines „Abnickinstruments“. Man sei mehr und mehr das Feigenblatt für bereits getroffene Entscheidungen, sagt uns ein Vertreter der Zunft. Der Bund hat 2009 bis 2013 allein eine Mrd. Euro für Gutachten ausgegeben. Viel zu selten setze sich die Regierung mit den Studien inhaltlich auseinander, die Papiere verschwinden in der Schublade“, kritisierte der Bund der Steuerzahler schon die Politik von CDU und FDP. Komplizierte Fragestellungen und differenzierte Aussagen stoßen erst recht auf taube Ohren. Politiker verlangten einfache Antworten, die sie in Wählerstimmen ummünzen können, erklären uns Berater. Richtig oder falsch spiele für eine Maßnahme keine Rolle – sofern negative Folgen erst nach der nächsten Wahl spürbar würden. Von solch simplen Fakten kapitulieren die Berater in Berlin zunehmend. Die Anhörungen im Bundestag werden nur noch als Alibiveranstaltungen wahrgenommen.
Fazit: Über die Arroganz der Macht zu lamentieren, hilft nicht weiter. Politikberatung muss lernen, so zu kommunizieren, dass ihre Botschaften ankommen – bei Politik und Bürgern. Ohne Vereinfachung geht das nicht.