Union: Kleine Lex AfD in Vorbereitung
Die Union gewinnt der Erholung der SPD im Zuge des Schulz-Hypes auch Positives ab. Zwar wird das, erst recht im beginnenden Wahlkampf, offiziell kein Parteigetreuer zugeben. Aber tatsächlich war die Sorge um die älteste deutsche demokratische Partei groß, die seit einem Jahrzehnt der 20%-Grenze bei Wahlen und in Umfragen immer näher kam. Unionsstrategen erkennen auch neidlos an: Die Begeisterung, die „Martin“ innerparteilich entfacht hat, „ist nicht verordnet, sondern echt“.
Am meisten freut sich die Union, dass die Schulz-SPD offenbar der AfD Stimmen abzieht. Diese verliert in jüngeren Umfragen, und die heimliche Hoffnung ist, dass sich deren Parteispitze weiter zerkeilt und die AfD am Ende deutlich unter 10% der Wählerstimmen erhält. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn es SPD und Union gelingt, ebenfalls für die Wahl am 24. September zu mobilisieren.
Dennoch könnte die AfD am Ende Oppositionsführerin im Bundestag werden. Denn auch die Linke scheint wieder in ihre Ursprungsrolle als Partei der neuen Bundesländer zurückzufallen und im Westen kein Land zu gewinnen. Die Grünen wiederum schwächeln angesichts eines Mangels an Themen und Wählkämpfern vom Schlage eines Joschka Fischer oder wenigstens Jürgen Trittin. Die FDP kommt bisher knapp in den Bundestag.
Nach aktuellen Umfragen ergäbe sich wieder die große Koalition als Regierungskonstellation. Nur wer den Kanzler stellt, könnte spannend werden. Denn in einem Sechs-Parteien-Parlament, in dem die kleinen Parteien unter 10% bleiben, würde es nicht mal eine Konstellation Union oder SPD plus zwei Kleine schaffen, die Mehrheit der Sitze auf sich zu vereinen. Das allerdings besorgt die Parteistrategen. Denn es würde die Systemverdrossenheit erneut steigern.
Um den Einfluss der AfD von vornherein zu begrenzen, denkt man über eine kleine „Lex AfD“ nach. Aus dem Alterspräsidenten des Bundestages soll ein Dienstältestenpräsident werden. Damit der AfD neben der möglichen Rolle als Oppositionsführerin nicht auch noch die Leitung der ersten Parlamentssitzung zufällt. Dies käme wahrscheinlich Wilhelm von Gottberg, dem früheren Vorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen, zu. Künftig soll stattdessen derjenige die Sitzung leiten, der am längsten im Hohen Haus gesessen hat. Das könnte FDP-Mann Hermann-Otto Solms sein.
Weniger reformfreudig sind die Parlamentarier beim Wahlrecht. Die von allen Fraktionschefs eigentlich als zwingend angesehene Wahlreform mit einer Begrenzung der Überhangmandate wird vor der Wahl nicht mehr kommen. So könnten am Ende statt der regulär vorgesehenen 598 Abgeordneten über 700 im Bundestag sitzen. Hier geht das Eigeninteresse vor.
Fazit: Wenn auch von der SPD und ihrem Spitzenmann Schulz inhaltlich bisher nichts Konkretes auf dem Tisch liegt – in Bewegung gebracht hat der „Martin-Effekt“ schon eine Menge.