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Die Ampel-Koalition vertagt die Entscheidung bei der Rente

Verdeckte Anhebung des Renteneintrittsalters

Modellfiguren eines Rentnerpaares stehen auf einem Stapel Münzen. © Ralf Hirschberger / dpa / picture alliance
Fachkräftemangel, überlastete Sozialsysteme, Altersarmut – die Rente braucht Reformen, doch der wirklich große Wurf ist bisher ausgeblieben. Auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge droht ein Rohrkrepierer zu werden. Notwendige Maßnahmen sind für die Politik allerdings ein vergifteter Apfel, den sie nicht greifen will.

Die Ampel traut sich nicht an die längst überfällige Rentenreform. Nach 100 Tagen Regierungsarbeit scheint das Thema bereits weitestgehend erledigt zu sein. Kleinere Maßnahmen werden zwar angepackt. Die Grundrente als Projekt der vergangenen Legislatur wird umgesetzt, Selbstständige sollen (mit Wahlfreiheit) ins Rentensystem einzahlen. Die grundsätzlichen Probleme (Fachkräftemangel, Überlastung des Rentensystems, Altersarmut) mildern diese Maßnahmen bestenfalls ab.

Die im Wahlkampf noch heiß diskutierte Aktienrente wurde im Koalitionsvertrag stark eingedampft: Die Deutsche Rentenversicherung bekommt einen Kapitalstock von 10 Mrd. Euro. Noch tut sich dabei allerdings nichts, wie aus einer Anfrage der FUCHSBRIEFE bei der Deutschen Rentenversicherung hervorgeht. Das Gesetzgebungsverfahren dafür ist noch nicht mal in Arbeit. Angaben wie das Kapital angelegt, wer dafür zuständig ist, inwieweit es die Rente entlasten wird, könnten bisher nicht getroffen werden, heißt es dort.

Das Gesetz bleibt, die Realität passt sich an

Die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters steht nicht auf der Tagesordnung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf noch eine Anhebung als „unsozial“ beiseite gewischt und eine völlig unrealistische (man könnte auch sagen populistisch) 50-jährige Rentengarantie ausgesprochen.

Die Anhebung des realen Renteneintrittsalters (im Gegensatz zum gesetzlichen) wird allerdings weiter politisch forciert. Es liegt in Deutschland momentan bei Frauen bei 63,6 Jahren, bei Männern bei 64 Jahren. Seit der Jahrtausendwende steigt das reale Eintrittsalter kontinuierlich – etwa um zwei Jahre seitdem. Die Schlüsselwörter der Politik um die reale Anhebung voranzutreiben lauten „Flexibilität und Freiwilligkeit“. So hat zuletzt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Debatte um ein „Renteneintrittsfenster“ gefordert. Auch Sozialminister Hubertus Heil (SPD) wünscht sich ein „Renteneintrittsalter mit flexiblen Übergängen.“ Tatsächlich bedeutet eine Heraufsetzung des Eintrittsalters eine faktische Rentenkürzung. Denn das mindert die Rentenbezugsdauer, und da die meisten Menschen schon vorher in den Ruhestand gehen wollen, müssen sie für jedes Jahr vorzeitigen Ruhestand hohe Abzüge hinnehmen. 

Zwang statt Freiwilligkeit

„Freiwilligkeit“ ist dabei aber ein Zynismus. Denn es ist in den meisten Fällen nicht die Lust an der Arbeit die Menschen dazu bewegt länger zu arbeiten, sondern der Zwang und die Furcht vor Altersarmut. Das Rentenniveau sinkt seit Jahren (aktuell 47,3%) – bis 2030 hat sich der Gesetzgeber dazu verpflichtet, bei einem Absinken des Niveaus auf unter 43% gegenzusteuern. Für die Zeit danach ist das nicht vorgesehen. Die subventionierte Anhebung des Rentenniveaus würde laut Deutscher Rentenversicherung pro halben Prozentpunkt 6,975 Mrd. Euro kosten.

Die Inflation tut derzeit ihr Übriges. Die hohen Teuerungsraten kommen einer Rentenkürzung gleich. Die Sorgen um die Absicherung im Alter nehmen daher zu. Laut einer Erhebung des Instituts der Deutschen Wirtschaft fürchten ca. 30% der 18- bis 65-jährigen um ihre Absicherung im Alter. Je älter die Befragten, desto höher die Besorgnis. In allen Altersgruppen sind die Altersvorsorge-Befürchtungen weitaus stärker ausgeprägt als die Sorgen um Gesundheit, die eigene wirtschaftliche Situation oder die Sicherheit des Arbeitsplatzes.

Ökonomen mahnen Anhebung an

In Deutschland ist die Frage nach der Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters der Apfel, den politisch niemand pflücken will. Die Debatte wurde durch die Ampel-Koalition um weitere vier Jahre auf den nächsten Wahlkampf verschoben. Aber der Ruf der Ökonomen nach einer Erhöhung des Renteneintrittsalters wird immer lauter. Für große Aufregung hatte im Sommer 2021 der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums gesorgt, der die Anhebung auf 68 Jahre empfahl. Der Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP) Lars Feld plädiert ebenfalls dafür. Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft ist ein prominenter Führsprecher.

Fazit: Die Rente ist der Elefant im politischen Raum, den niemand so recht angehen möchte. Die Ampel-Koalition versucht das Dilemma mit Kosmetik und verdeckten Maßnahmen abzumildern, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Die Altersvorsorge legt sie zunehmend in die Eigenverantwortung der Bürger. Er hat die Wahl: Länger arbeiten, mehr privat vorsorgen oder Wohlstandsverluste im Alter akzeptieren.

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