Vertrauensfrage: Scholz braucht 5 Stimmen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fehlen im Parlament nur fünf Stimmen, um bis zum regulären Wahltermin im September Kanzler zu bleiben. Die Chance, dass Scholz Kanzler bleibt, ist damit gar nicht so klein. Denn Scholz hat eine gute strategische Möglichkeit, für ihn wichtige Parteien im Parlament in Zugzwang zu bringen und sie politisch-moralisch unter Druck zu setzen.
Verbindet Scholz die Vertrauensfrage mit einer Sachfrage, stehen seine Erfolgsaussichten nicht schlecht. Sie wissen: Es ist dem Kanzler überlassen, wie er die Vertrauensfrage stellt. Er darf sie ausdrücklich von einer reinen Personalentscheidung abkoppeln und mit einer Sachfrage verbinden.
Scholz dürfte Taurus-Thematik mit Vertrauensfrage verbinden
Wenn Scholz seine Kanzlerschaft in der Vertrauensfrage mit der Friedensfrage und Taurus-Thematik verknüpft, bekommen einige Parteien ein strategisches Dilemma. In diese Richtung scheinen die Überlegungen bei Scholz zu laufen. Das Kanzleramt hat uns zwar nicht bestätigt, dass Scholz "seine Kanzlerschaft mit einer Sachfrage verbinden" wird. Allerdings wurde gegenüber FUCHS angedeutet, dass dazu noch in dieser Woche ein Statement zu erwarten ist.
Knüpft Scholz seine Kanzlerschaft an die Taurus-Frage, kann er die AfD, das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) und die Linke vor sich hertreiben. Alle drei Parteien haben sich klar gegen die Taurus-Lieferungen gestellt. Sie wollen keine weiteren Waffenlieferungen zusagen. Es dürfte diesen Parteien darum sehr schwer fallen, Scholz vom Thron zu stürzen – insbesondere mit der Aussicht auf einen Kanzler Friedrich Merz, der Taurus liefern will.
Linke und BSW gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine
Um die Abstimmung für sich zu gewinnen, braucht Scholz 50% +1 Stimme im Parlament. Er muss 367 Ja-Stimmen bekommen. Die SPD sollte geschlossen für Scholz stimmen. Von den Grünen hören wir, dass sie "eine geschlossene Fraktionsmeinung haben". Als verbliebener Teil der Regierung dürften sie daher unisono für Scholz votieren – zumal sie weiterregieren wollen und ihnen große Verluste bei der nächsten Bundestagswahl drohen. Damit wären Scholz 324 Stimmen sicher.
Wollen die Linke und das BSW ihrer Anti-Taurus-Politik treu bleiben, müssen sie für Scholz stimmen. Damit könnten sie den "Kriegs-Kanzler" Merz zunächst verhindern und zugleich die nötige Zeit für ihren Wahlkampf gewinnen. Gelänge Scholz diese Taktik, hätte er weitere 38 Stimmen sicher. Dann fehlen nur noch fünf Stimmen. Volker Wissing (ehemals FDP, nun fraktionslos) dürfte aber wohl ebenfalls hinter Scholz stehen, schließlich will er sein Ministeramt behalten.
AfD wird Zünglein an der Waage
Dem Kanzler reichen dann lediglich vier Stimmen aus AfD, CDU, FDP oder von fraktionslosen Abgeordneten, um Kanzler zu bleiben. Das Zünglein an der Waage wird die AfD sein (76 Abgeordnete). Aus der Fraktion heißt es gegenüber FUCHSBRIEFE zwar, dass sich die Fraktion gegen Scholz stelle wolle. Es gebe aber keinen Fraktionszwang. Das öffnet die Tür für "Abweichler", wie z.B. Jürgen Pohl. Der hatte schon angekündigt, sich hinter Scholz zu stellen, weil er "das kleinere Übel" gegenüber Merz sei.
Die AfD könnte zweigleisig fahren. Nach außen stellt sie sich fast geschlossen gegen Scholz. Mit nur wenigen "Abweichlern" aus den eigenen Reihen könnte die Partei der SPD aber zu einer Gnadenfrist verhelfen. Das würde auch der AfD nutzen. Gewinnt Scholz, bekommen er und die SPD vermutlich Auftrieb. Darauf deuten jüngste Umfragen hin, in denen Scholz gegenüber Merz um 7 Prozentpunkte aufgeholt hat. Das dürfte die Union schwächen – wovon die AfD indirekt profitieren würde.
Personaländerungen in der SPD möglich
Gewinnt Scholz, bekommt er Rückenwind. Er kann sich dann als Friedens-Stifter positionieren und auch das internationale Momentum nutzen. Außerdem kann er im Wahlkampf eine Gegenposition zu Merz einnehmen. Verliert er, ist kaum vorstellbar, wie er weiter Kanzler-Kandidat bleiben will.