Vorteil Laschet
Im Schatten der Corona-Krise geht der Machtkampf in der Union um den Parteivorsitz und die damit verbundene Kanzlerkandidatur unvermindert weiter. NRW Ministerpräsident Armin Laschet profiliert sich dabei geschickt als Mann der Wirtschaft und gräbt seinem Herausforderer Friedrich Merz das Wasser ausgerechnet bei dessen Kernklientel ab.
Als amtierender MP hat Laschet dabei einen klaren Vorteil: Er kann handeln und Akzente setzen. Zudem hat er sich den in der Coronakrise omnipräsenten Gesundheitsminister Jens Spahn als Partner gesichert. Spahn kandidiert mit Laschet als Doppelspitze um den Parteivorsitz. Beide treten derzeit verstärkt zusammen auf. Und künftig sollen Parteiführung und Kanzlerschaft nach dem Mehrheitswillen in der CDU wieder zusammenfallen.
Laschet setzt sich von Merkel ab
Laschet gilt als Favorit Merkels, unter dem sich am Stillstand des Landes nichts ändern würde. Um sich davon abzusetzen, fordert Laschet nun, dass die Diskussion über einen Exit aus dem Corona-Shutdown sofort einsetzen müsse. Ganz im Sinne der Wirtschaft, die unter jedem weiteren Tag des Ausnahmezustands leidet. Merkel hatte das abgelehnt.
Zuchtmeister gegen Zweifler
Kampfeswille legt Laschet auch gegen Markus Söder an den Tag, seinen Rivalen um die Kanzlerkandidatur. Der CSU-Vorsitzende hatte den Konsensliebhaber Laschet mit seinem unabgestimmten „Katastrophen-Kurs" überfahren, Motto „Södern statt zögern“. Die anderen Ministerpräsidenten waren ihm in der allgemeinen Panik gefolgt. Nun, nach Ostern, revanchiert sich Laschet mit einem Alleingang bei den Schulöffnungen und es ist Söder, der bei der Exit-Strategie des Rheinländers hinterher laufen muss.
Gegen den „Rausch des Ausnahmezustands“ setzte Laschet ein eigenes Corona-Expertengremium ein, das seine Exit-Strategie begleitet. Im Gremium sitzen keine Kliniker, die zur Überdramatisierung neigen. Wichtigster Mann ist Hendrik Streeck, der zu den schärfsten Kritikern des Robert-Koch-Instituts zählt. Es habe versäumt, Studien in den deutschen Hochburgen von COVID-19-Erkrankten durchzuführen und das wahre Ausmaß der Dunkelziffer zu erheben. Die derzeit vom RKI präsentierten Zahlen sind wahrscheinlich um den Faktor 10 zu niedrig, weshalb die Sterblichkeit überschätzt und die Pandemie unnötig dramatisiert wird. Streeck ist Leiter der Virologie am Bonner Universitätsklinikums. Seine Studie wurde von den Exit-Gegnern gleich heftig angegriffen, weil sie sich als Plädoyer für eine schnellere Erreichung der Herdenimmunität lesen lässt.
Im Herbst wird sich das Blatt noch einmal wenden
Dennoch: Merz kann bald wieder ein gefragter Gesprächspartner sein. Und der Mann, dem am meisten Kompetenz zugemessen wird, wenn es darum geht, die finanziellen Folgeschäden der Krise in den Griff zu kriegen. Das wird noch eine Mammutaufgabe, und das Thema wird im Herbst, wenn der neue Bundeshaushalt beraten wird, im Zentrum der Diskussion stehen. Dann kann Merz noch einmal zurückkehren.
Zudem kann sich der Vorteil der derzeit handelnden Politiker bis dahin in einen Nachteil verwandeln. Die Geduld der Bevölkerung – der Wirtschaft allemal – ist bald erschöpft. Und sollte es zu einem erneuten Ausbruch von Covid19 im Herbst kommen, werden die wirtschaftlichen Folgen der ergriffenen Maßnahmen umso schwerer wiegen.
Fazit: Auch wenn es derzeit so aussieht, als sei Merz der große Verlierer im Kampf um den Spitzenposten bei der CDU und im Land – tatsächlich ist die Coronakrise für ihn eine neue Chance. Das Rennen um den Parteivorsitz hätte er zum geplanten Termin Ende April klar verloren. Bis zum voraussichtlichen neuen Entscheidungstermin im Dezember werden die Karten noch einmal komplett neu gemischt.