In der Arbeitsmarktpolitik und dort insbesondere im Segment der Hochqualifizierten herrscht in Deutschland bisher das Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“. Während sich viele Politiker, Unternehmen und Funktionäre über die Zuwanderungswelle freuen und gut qualifizierten Kräften den Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt erleichtern wollen, wandern in gleicher Zahl, aber still und leise, ebenso viele hochqualifizierte Deutsche in andere OECD-Länder ab.
Nach der brandaktuellen OECD-Studie „Talente im Ausland“ arbeiten fast 2 Mio. Deutsche außerhalb der Landesgrenzen. Häufig in höherqualifizierten Jobs als Deutsche im Inland. Hochschulbildung haben 1,2 Mio. Das sind 35,7% aller deutschen Auswanderer ab 15 Jahren.
„Karriereerwägungen“ bilden laut OECD den Hauptgrund für den Wegzug aus Deutschland. Ein Drittel der Auswanderer in nicht-europäischen OECD-Ländern ist als hochqualifizierte Fachkraft beschäftigt, weitere 13% üben Führungsfunktionen aus. Deutschland stellt die fünftgrößte Auswanderergruppe in der OECD nach Mexiko, Großbritannien und nur kurz hinter China und Indien.
Von 6,7 Mio. Einwanderern haben wiederum 1,31 Mio. (19,6%) eine Hochschulbildung. Deutschland kommt so bei der Gesamtzahl an Hochqualifizierten mit hohem Aufwand zumindest statistisch saldiert auf Null.
Politisch ebenfalls heikel ist eine weitere Feststellung der OECD. „Den Grundstein für ein mögliches Leben im Ausland legen Deutsche häufig schon nach der Schule.“ Kein anderes OECD-Land entsende so viele Studenten ins Ausland wie Deutschland. 30% der deutschen Studenten im Ausland studierten Mathematik, Naturwissenschaften, medizinische Fächer oder Ingenieurswissenschaften – Ausbildungszweige, die von deutschen Unternehmen stark nachgefragt sind.
Fazit: Arbeitsmarktpolitisch betreibt Deutschland gerade mit hohem Aufwand ein Nullsummenspiel – wenn man die Qualifikationen von Zu- und Auswanderern gleich setzen will. Dies scheint inzwischen auch der Politik aufzufallen. Das Arbeitsministerium von Andrea Nahles (SPD) hat die OECD-Studie bezuschusst, um spezielle Zahlen zu den deutschen „Talenten im Ausland“ zu erhalten.