Die kalte Progression abgelten
Auch ohne förmliche Beschlüsse: Die Abgeltungsteuer sieht ihrem Ende entgegen. Im Tausch wird dafür die kalte Progression gemildert.
Im Wahljahr 2017 erwartet uns ein steuerpolitischer Kuhhandel der Groß-Koalitionäre. Die kalte Progression entfällt und zur Gegenfinanzierung wird die Abgeltungsteuer wieder abgeschafft. Sie war erst 2009 in Kraft getreten und ein Kind der Großen Koalition von 2005. Die kalte Progression hievt viele Normalverdiener nach einer Lohnerhöhung in die nächsthöhere Steuerprogressionsstufe. Es bleibt kaum etwas Netto vom Brutto, der Staat kassiert die Lohnerhöhung. Rechnerisch haut die Sache hin. Nach Einführung der Abgeltungsteuer sackten die Steuereinnahmen auf Kapitalerträge um rund 5 Mrd. Euro auf jetzt noch 8,6 Mrd. Euro ab. Die Differenz entspricht in etwa dem, was für den Abbau der kalten Progression benötigt wird. Das Kernziel der Union, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wird somit nicht verletzt. Über den Deal sind sich CDU und SPD längst einig. Auch wenn es dazu noch keinen formellen Beschluss gibt und dieses Projekt nicht im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Auf diese Linie sind inzwischen auch die Gewerkschaften voll eingestiegen. Ohne deren Zustimmung fasst die SPD unter Parteichef Sigmar Gabriel keine politischen Beschlüsse mehr. DGB-Bundesvorsitzender Reiner Hoffmann hat sich am Wochenende erneut für die Abschaffung von kalter Progression und Abgeltungsteuer eingesetzt. Die Ländermehrheit ist ebenfalls dafür. Auch CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble hat nichts dagegen. Nur die CSU mault ein wenig. Eine wichtige Voraussetzung für den politischen Handel ist der internationale Datenaustausch. Er kommt wie gerufen im Wahljahr 2017. Dann kann kein deutscher Steuerpflichtiger mehr Einkommen aus Kapitalvermögen verschweigen. Ein wesentlicher Grund für die Einführung der Abgeltungsteuer an der Quelle entfällt damit. Kanzlerin Angela Merkel kann mit dem Kompromiss gut leben. Sie hält ihr Versprechen „Keine Steuererhöhung in dieser Legislaturperiode“. Gleichzeitig sorgt sie für „Gerechtigkeit“ und nimmt damit SPD, Grünen und Linken für 2017 einen potenziellen Wahlkampfschlager ab. SPD-Chef Gabriel wiederum wird betonen, dass die SPD den Deal überhaupt erst durchgesetzt habe.
Fazit: Eine Win-Win-Situation für die Politik. Sie wird sie nutzen.