Europa bleibt zurück
Die Digitalwirtschaft zieht immer mehr Direktinvestitionen an. Doch gerade Europa profitiert unterdurchschnittlich. Die UNCTAD kritisiert viele digitale Entwicklungsstrategien als unzureichend.
Die Bedeutung der digitalen Wirtschaft wächst weltweit kräftig. Zwischen 2010 und 2015 hat sich die Zahl der Tech-Unternehmen im UNCTAD-Ranking des World Investment Report 2017 der Top 100 Multis mehr als verdoppelt. Dazu zählen auch die Geschäftsfelder Internetplattformen, E-Commerce und digitaler Content. Ihre Vermögenswerte stiegen um 65%. Ihre operativen Erträge und Mitarbeiter wuchsen um rund 30% im Vergleich zu den „gewöhnlichen“ Konzernen unter den Top 100.
Digitale Multis machen etwa 70% ihres Umsatzes im Ausland. Sie haben aber nur 40% ihrer Vermögenswerte außerhalb ihrer Heimatländer. In den Gastländern fallen sie weder mit physischen Investitionen, noch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen auf. Die UNCTAD misst ihnen aber immerhin „wichtige indirekte und produktive Effekte“ zu; sie würden „zur digitalen Entwicklung beitragen“.
Digitale Technologien werden die globalen Lieferketten in allen Branchen tiefgreifend verändern. Je nach Industriezweig wird sich verstärkt eine „Big-Data-fähige“ Produktion entwickeln, aber auch 3D-Druckproduktion. Manche Herstellung wird damit wieder verstärkt im Inland erfolgen, etliche Dienstleistungen eher im Ausland.
Viele digitale Entwicklungsstrategien hält die UNCTAD für unzureichend. Es fehlten oft Angaben zu den Investitionsanforderungen für die Infrastruktur. In weniger als 5% der Fälle wäre der Investitionsbedarf über die Infrastruktur hinaus definiert. Investmentförderungsagenturen seien (zu) selten an der Formulierung von digitalen Entwicklungsstrategien beteiligt.
Vor diesem Hintergrund ist die internationale Investitionsstatistik ein Grund zur Beunruhigung für Europa. Die beliebtesten Zielländer für Direktinvestitionen bleiben die USA, China und Indien. Vor allem die Schwellenländer Asiens stehen weiterhin oben auf den Investitionslisten internationaler Konzerne. Selbst Großbritannien (Rang 7) kommt noch vor Deutschland (8). Ansonsten taucht in der Liste der ersten 20 noch Spanien auf Platz 11 auf.
Das heißt: Europa gerät weiter in Rückstand. Bei den Direktinvestitionen im Ausland ist Deutschland dagegen von Rang 4 auf 3 aufgerückt. Davor liegen die USA und China. Der Bestand an Direktinvestitionen aus dem Ausland beträgt in der EU derzeit 7,6 Billionen US-Dollar, während die EU selbst in Drittländern 9,1 Billionen angelegt hat. Für die USA sind es in etwa gleich viele: jeweils 6,4 Billionen. Für China sind es 1,35 Billionen zu 1,28 Billionen (jeweils gerundet).
Fazit: Europa ist als digitaler Investitionsstandort weniger attraktiv als andere Weltregionen. Mit allen Konsequenzen für die Modernisierung der hiesigen Wirtschaft und der Erhaltung des Wohlstandsniveaus.