Dummes Ziel, irre Geldpolitik?
Die Europäische Zentralbank begründet ihre politisch und ökonomisch problematische Geldpolitik mit ihrem Inflationsziel. Doch das ist selbst gesetzt und willkürlich gewählt. Nicht anders als die längst außer Kraft gesetzten Kriterien des Euro-Stabilitätspakts. Ein Kommentar von FUCHS Chefredakteur Ralf Vielhaber.
In einer historischen Sitzung hat der EZB-Rat heute eine weitere monetäre Verwässerung der europäischen Währung beschlossen. Er verfolgt damit konsequent das Inflationsziel in der Eurozone von 2%. Der Zins ist bereits am Nullpunkt angekommen. Daher bleibt angeblich nichts weiter, als durch den Ankauf auch von Staatsanleihen die Inflation anzutreiben. Ob das Ziel mit dieser Maßnahme erreicht werden kann, steht in den Sternen. Die USA haben nach sechs Jahren Bilanzaufblähung 2014 gerade einmal 1,4% Geldentwertung erreicht. Sicher aber ist: EZB-Chef Mario Draghi und der Zentralbankrat riskieren mit ihrer Politik eine europäische Verfassungskrise, einen weiteren Vertrauensschwund bei der deutschen Bevölkerung und eine heftige politische Debatte mit hoher Sprengkraft, die die Stabilität des Euro nicht befördert. Die Maastricht-Ziele von 3% Neuverschuldung und 60% Staatsverschuldung wurden mit ein paar läppischen Bemerkungen aus der Politik beerdigt. Der damalige Brüsseler Kommissionschef Romano Prodi versenkte das 3%-Ziel schon 2002 mit den Worten, es sei „dumm“. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte 2009: „Diese Schwellen für die Schulden müssen wir revidieren“. Das Inflationsziel der EZB stellt seltsamerweise niemand infrage. Die Zentralbank hat es sich selbst erst im Mai 2003 als harte Vorgabe gegeben. Zur Euro-Einführung 1998 lautete es noch „unter 2%“. Erst dann kam die – aus heutiger Sicht schicksalhafte – Vorgabe „unter, aber nahe bei 2%“. Das Ziel ist ebenso willkürlich gewählt wie die 3%-Neuverschuldungsgrenze von Maastricht. In einer Zeit rasant fallender Ölpreise, einer Produktivitätsanpassung über die Löhne in weiten Teilen Europas und einer eher auf geringe wirtschaftliche Expansion deutenden demografischen Perspektive kann es als ebenso „dumm“ gelten wie die 3% von Maastricht. Es wird Zeit, auch diese Diskussion zu führen.
Fazit: Berlin hätte es leicht, in der Euro-Debatte den Spieß einmal umzudrehen. Doch dazu gehört Chuzpe, wie man sie nur in Rom und Paris findet, meint
Ralf Vielhaber