EU: Pokern und schachern
Die Nachfolge von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) wird zum Geschacher. Belgiens Ex-Premier Verhofstadt könnte lachender Dritter sein.
Brüssel liefert dem Wähler ein erneutes Beispiel dafür, wie wenig politische Absprachen gelten. Es geht um die Nachfolge von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Verabredet war unter den großen Fraktionen: Auf den Sozialdemokraten sollte zur parlamentarichen Halbzeit ein Konservativer folgen. Zunächst hatte der SPD-Mann überlegt, den Posten doch nicht zu räumen. Dafür hatte er mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits einen namhaften Fürsprecher. Nun warf Gianni Pittella von den italienischen Sozialisten und Demokraten seinen Hut in den Ring. Er macht damit Antonio Tajani von der EVP Konkurrenz. CSU-Mann Manfred Weber hatte zuvor bereits überraschend verzichtet. Kandidat ist auch der liberale ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt. Er hofft, als lachender Dritter aus dem Rennen zu gehen. Sein Kalkül: Die beiden großen Blöcke könnten sich neutralisieren. Zudem bezieht Verhofstadt eine weitere Personalie mit ein. 2017 muss EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigt werden. Der Pole ist neben Kommissionschef Jean-Claude Juncker bereits der zweite Konservative in führender Position. Im Falle der Wahl Tajanis würden alle drei EU-Spitzenposten von der EVP besetzt. Gegen Pittella spricht sein öffentlicher Wortbruch. Er hatte die Vereinbarung über den Wechsel von Schulz zu einem EVP-Nachfolger mit ausgehandelt; nun will er davon aber nichts mehr wissen. Der Belgier ist wiederum bei der Kommission unbeliebt. Er ist im Parlament für den Brexit zuständig und hat bereits angekündigt, die Rechte der Parlamentarier notfalls durch direkte Abklärungen mit den Briten wahren zu wollen. Die Kommission aber will Tusk unbedingt halten. Er gilt als „Stachel im Fleisch“ und Widersacher der Unbotmäßigen in Osteuropa wie Polen oder Ungarn, die sich immer wieder mit Brüssel anlegen.
Fazit: Die Schulz-Nachfolge ist ein Stück, dass ein wenig vor den Kulissen ausgemauschelt wird. Zumindest so gesehen ist das ein kleiner Fortschritt in Sachen Transparenz.