Europa hofiert Lukaschenko
In Weißrussland herrscht ein Diktator. Alle Welt weiß das. Dennoch ist der Westen im Moment froh, dass das so ist.
Die Regierungen der EU-Länder sind erleichtert über den klaren Wahlausgang in Weißrussland. Grund: Im Westen geht die Furcht um, nach dem Fall des Diktators könnte Weißrussland zu einer zweiten Ukraine werden. Am 11.10. erreichte Alexander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen ein Ergebnis von 83,5%. Das hohe Wahlergebnis kam zustande, weil kein echter Politiker der Oppositionsparteien antreten durfte. Dennoch werden die EU-Sanktionen gegen Weißrussland nun für zunächst vier Monate ausgesetzt. Im Januar 2016 soll dann über eine komplette Aufhebung entschieden werden. Lukaschenko, der 2012 vom damaligen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als „Europas letzter Diktator“ geschmäht wurde, kann sich als rehabilitiert betrachten. Es ist nicht so, dass Lukaschenko seine Politik zuletzt verändert hätte. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, selbst die freie Berufswahl sind in Weißrussland weiter eingeschränkt. Lukaschenko wird zudem die Beteiligung an einem Auftragsmord nachgesagt. Verändert hat sich jedoch die Wahrnehmung der Europäer. Mehr Angst als vor dem Diktator haben sie vor dem Machtvakuum, das ohne ihn entstehen könnte. Russland definiert seinen Einflussbereich wie zu Sowjet-Zeiten und ist bereit, militärisch zu intervenieren, wenn es diesen in Gefahr sieht. Dies zeigen die Vorgänge in der Ukraine: Nachdem dort im Februar 2014 eine westlich orientierte Regierung an die Macht kam, ließ Wladimir Putin die Krim annektieren und schürte den Konflikt in der Ostukraine, als es der neuen ukrainischen Regierung gerade gelungen schien, die dortigen Aufstände niederzuschlagen. Auch wenn die am 1. September 2015 vereinbarte Waffenruhe zu halten scheint, schwelt der Konflikt und destabilisiert die Ukraine.
Fazit: Einen weiteren militärischen Konflikt zwischen Russland und einem der Nachfolgestaaten der Sowjetunion will die EU unbedingt vermeiden. Aus europäischer Sicht ist Lukaschenkos Diktatur deshalb das kleinere Übel.