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EU | Politik

Herausforderung Europa

Im Europäischen Rat kommt nach dem Erdrutschsieg der Nationalisten in Frankreich und Großbritannien auf Merkel eine ihrer größten Bewährungsproben zu: Sie muss den Laden alleine zusammenhalten.
Der Ausgang der Europawahlen hat für den Rat der Regierungschefs gravierendere politische Konsequenzen als für Parlament und Kommission. Zwar haben Konservative (EVP), Sozialisten und Liberale insgesamt 85 Sitze im Parlament eingebüßt, die mehrheitlich an Euro(pa)skeptiker gehen. Doch letztendlich haben die Etablierten, nimmt man die Grünen mit hinzu, 526 Sitze und damit weiterhin eine satte Mehrheit im 751 Abgeordnete starken Parlament. Voraussichtlich wird die EVP als eindeutig stärkste Kraft mit ihrem Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker den Kommissionspräsidenten stellen. Große Sorge bereitet den Strategen im Berliner Kanzleramt der Wahlausgang in Frankreich und Großbritannien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) muss nach dem Erdrutschsieg der nationalistischen Rechten in Frankreich um Marine Le Pen und in Großbritannien um UKIP-Vormann Nigel Farage den europäischen Laden mit aller Kraft und auf sich gestellt zusammenhalten. Denn es walten starke Fliehkräfte, die nun zusätzliche Energie entwickeln könnten. Le Pen und Farage werden als Chefs der aktuell stärksten Parteien in ihren Ländern die politische Agenda diktieren. Die angeschlagenen politischen Führer – in Frankreich Präsident François Hollande, in Großbritannien Ministerpräsident David Cameron – werden sich in Tonfall und politischen Forderungen anpassen müssen: In der Ausländer- und Innenpolitik sowie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden ihre Forderungen lauter und härter ausfallen als bisher schon. Sie werden an der freiheitlichen Grundordnung Europas (Ausländergesetze, freier Güter- und Warenverkehr etc.)kratzen. Die Achse Paris-Berlin ist damit weiterhin nicht tragfähig. Hollande ist zu schwach, um sichtbar Kompromisse eingehen zu können. Es sei denn, er besinnt sich, setzt alles auf eine Karte und geriert sich als europäischer Staatsmann in direkter Konfrontation zu Le Pen. Doch das kann man sich in Berlin nur schwer vorstellen. Aber die Kanzlerin will unbedingt auch Großbritannien in der EU halten. Die Briten sollen 2017 über ihren Verbleib in der Europäischen Gemeinschaft abstimmen. Schon Ludwig Erhard, den Merkel gern und häufig als ihr Vorbild bezeichnet, waren die auf Freihandel setzenden Insulaner als Kontrapunkt zur französischen „Planification“ – der staatlichen Planung der Volkswirtschaft – eine Herzensangelegenheit. Würden die Briten – was wir nicht erwarten, aber Berlin dennoch Sorge bereitet – die EU verlassen, wäre deren gesamte Statik gefährdet. Schon jetzt wird es sehr schwer werden, mit Frankreich zusammen ein Freihandelsabkommen mit den USA zu gestalten. Die Verhandlungen werden noch zäher laufen als ohnehin schon. Sowohl London als auch Paris werden Forderungen an Brüssel stellen, die Berlin (größtenteils) begleichen muss, damit beide in Europa bleiben. Neben dem außenpolitischen Großprojekt „Beziehungen zu Russland“ und dem gestörten Verhältnis zu den USA bleibt das die dritte Großbaustelle der Kanzlerin. Europa wird viel Kraft kosten, die für andere Aufgaben nicht zur Verfügung steht. Merkel wird ihrem künftigen Kontrahenten im Kampf ums Kanzleramt, SPD-Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel, für dessen innenpolitische Profilierung auf der innenpolitischen Bühne eher noch mehr Raum als bisher schon lassen müssen.

Fazit: Für die Kanzlerin ist das Wahlergebnis zur Europawahl eine Herausforderung. Wenn sie diese jedoch meistert, kann sie am Ende – bei der Bundestagswahl 2017 – erneut siegen. Die Wirtschaft wird sich dagegen auf eine weitere Einengung ihrer Spielräume einstellen müssen.

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