Die EU hat ein relativ eng begrenztes Zeitfenster, um Russland mit den beschlossenen Wirtschafts- und Finanzsanktionen zur Kooperation zu bewegen. Davon ist der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) im Gespräch mit FUCHS überzeugt. Im OA sind 180 Unternehmen vertreten – vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern.
Das größte Problem der beschlossenen Sanktionen ist die Dauer ihres Bestehens. Die Maßnahmen zeigen kurzfristig zwar durchaus eine gewünschte Wirkung, indem sie insbesondere Russlands Präsident Wladimir Putin innenpolitisch unter Druck setzen. Ein Beleg dafür sind beispielsweise die erstaunlich offenen Eingeständnisse des russischen Wirtschaftsministers Alexei Uljukajew zur wirtschaftlichen Lage. Er bezifferte den Kapitalabfluss aus Russland in diesem Jahr auf 120 Mrd. Euro. Die heimische Inflation gab der Minister freimütig mit 9% an. Der Westen rechnet mit 8%. Dass Putin optimistischere Zahlen zum Wirtschaftswachstum und den Perspektiven in der Öffentlichkeit verbreitet, ändert aber auch nichts an der Realität.
Je länger die Sanktionen aufrecht erhalten werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Russlands Wirtschaft darauf einstellt. So fürchten etliche deutsche Unternehmen, dass sich ihre russischen Partner, Zulieferer oder Abnehmer in den kommenden Monaten deutlich stärker in Richtung China oder Südamerika orientieren. Zwar wird ein Umbau von Lieferketten und Geschäftsbeziehungen nicht sofort vollzogen und dauert einige Zeit. Ist aber die Grundsatzentscheidung getroffen, werden sich diese alternativen Strukturen verfestigen. Deutsche Unternehmen verlören dann dauerhaft Geschäft in Russland.
Dass Russland noch erhebliches Potenzial für eine stärkere Orientierung nach Osten hat, zeigt ein Blick auf die nackten Zahlen. So liegt das jährliche Handelsvolumen mit der Europäischen Union bei 430 Mrd. Dollar, das mit China beträgt nur 90 Mrd. Dollar. Zudem gibt es im Reich der Mitte eine hohe Nachfrage nach den Exportgütern der Russen – Öl, Gas und Metallrohstoffe. Westeuropa, insbesondere Deutschland, versucht hingegen seit Jahren, sich mit der Energiewende-Politik unabhängiger von Russland zu machen. Im Gegenzug kann China Kreditlinien bieten, die der Westen Russland verwehrt.
Der Schlüssel zur Lösung dieses strategischen Dilemmas: Es wird eine Lösung gesucht, die einen Status der Ukraine definiert, der sowohl der EU als auch Russland erlaubt, Geschäfte mit dem Land zu machen. Denn Russland kann aus politischen und ökonomischen Gründen nicht auf den großen industriellen Komplex der Ostukraine verzichten. Aber auch die EU möchte ihren Einfluss auf das Land nicht verlieren. Und: Die Ukraine will selbst über ihren politischen Weg entscheiden.
Fazit: Das diplomatische Ziel bleibt eine trilaterale Lösung zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union. Allerdings hat bisher keine Seite ein Patentrezept dafür. Dass Russlands Präsident Putin bedingungslos einknickt, ist unwahrscheinlich. Darum läuft der EU-Diplomatie und der Wirtschaft allmählich die Zeit davon.