Kontrolle verweigert
Im Kampf um Griechenlands Zukunft fehlt eine Stimme: die des Europäischen Parlaments. Dabei könnte es seine Kontroll-Kompetenz in die Waagschale werden.
Griechenland droht die Staatspleite und viele Beobachter einschließlich des deutschen Finanzministers halten den „Grexit“ für möglich – aber das EU-Parlament verweigert jede parlamentarische Debatte. Heute lehnte eine überwältigende Mehrheit des EU-Parlaments eine Aussprache über den möglichen Austritt Griechenland aus der Eurozone ab. AfD-Chef Bernd Lucke scheiterte mit seinem Antrag. Das EU-Parlament verweigert sich damit seiner Verantwortung. Denn die Auflagen der Troika, bestehend aus IWF, EZB und der EU-Kommission, greifen tief in die griechische Politik und Wirtschaft ein. Sie bestimmen Sparpläne und kontrollieren Reformschritte. Selbst wird die Troika – oder „die Institutionen“ wie sie neuerdings heißt – aber nicht kontrolliert. Das wäre eigentlich die Aufgabe des EU-Parlaments. Da die Troika aber nicht auf EU-Gemeinschaftsrecht gründet, sondern auf zwischenstaatlichen Rechtsakten, bleibt das EU-Parlament bislang außen vor. Die EU-Parlamentarier haben sich mit der Rolle als Zaungast abgefunden. Lediglich eine Initiative unter der Leitung des österreichischen EU-Parlamentariers Othmar Karas (EVP) forderte 2014 mehr Transparenz der Troika und einen Europäischen Währungsfonds. Der wäre gegenüber dem EU-Parlament berichts- und kontrollpflichtig. Weit gekommen ist er damit bislang nicht. Eine eigene Gesetzesinitiative dürfen EU-Parlamentarier nicht ergreifen. Und die EU-Kommission selbst schmettert jeden Kontrollwunsch ab. Lediglich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach im Wahlkampf wolkig von „mehr demokratischer Legitimation“ der Troika. Die EU-Parlamentarier nutzen die politischen Möglichkeiten zu mehr Kontrolle aber nicht aus. Denn laut EU-Verfassung (seit 2012) könnte eine Bürger-Initiative die Troika-Kontrolle auf die Tagesordnung der EU-Kommission hieven. Doch die EU-Parlamentarier zeigen dazu wenig Lust. Wollen sie gar nicht bei den Reformauflagen mitwirken? Würden sie ihrer Kontrollfunktion gerecht werden, wüssten sie aus eigener Anschauung, ob Griechenland die Reformen umsetzt oder ob es die Troika-Beamten in Athen über den Tisch zieht. Schließlich geht es um viele Milliarden Euro an Steuermitteln und Eingriffe in die Grundrechte von EU-Bürgern. Alle machen mit beim Schwarze-Peter-Spiel. Keiner übernimmt die Verantwortung. Die EU-Regierungs-Chefs geben Athen die Schuld, sich nicht an die Reform-Vorgaben der Troika zu halten. Athen wiederum hat es bislang verstanden, die Reformen teilweise zu umgehen und vor allem Deutschland und die Troika für die Misere verantwortlich zu machen. Dazu passt das EU-Parlament, das offenbar seine Wächterfunktion gar nicht wahrnehmen will.
Fazit: Das EU-Parlament muss seine Verantwortung endlich in die Hand nehmen. Nur dann wächst auch die Zustimmung der Bürger zu dieser Institution.