Nach der Annexion der Krim durch Russland ist nun Kiew wieder am Zug. Von der künftigen Regierung der Ukraine wird es abhängen, ob die Krise weiter eskaliert – weniger von den Wirtschaftssanktionen der EU. Parlament und Regierung sollen im Mai gewählt werden. Orientiert sich die neue Führung des Landes mit Macht nach Westen, wird Brüssel sich dem kaum offen entgegenstellen können. Andernfalls würde die neue Regierung destabilisiert. Das würden die USA kaum billigen. Eine eindeutige Westorientierung der Ukraine widerspricht den Interessen Moskaus – und inzwischen auch Brüssels. In der Hauptstadt der EU war man lange Zeit wohl etwas naiv. Man hatte die Brisanz nicht erkannt, die eine Aufhebung des Status quo der Ukraine an der Nahtstelle zwischen West und Ost für Moskau bedeutet. Das ist jetzt anders. Der Westen betreibt eine Appeasementpolitik gegenüber Moskau. In der EU ist ein heißer Krieg gegen Russland nicht vermittelbar. Schon Wirtschaftssanktionen sind für Berlin mehr ein Mittel der Gesichtswahrung als ein ernsthaftes Druckmittel gegen Putin. Das würde sich aber ändern, wenn der russische Präsident Truppen in die Ukraine einmarschieren ließe, um dort seine Landsleute „vor Übergriffen zu schützen“. Die Situation braucht Zeit zur Beruhigung – und genau die hat der Westen nicht. Denn die Lage in der wirtschaftlich und finanziell ruinierten und kulturell gespaltenen Ukraine ist derart gespannt, dass sie nach einer schnellen, grundlegenden Lösung verlangt. Niemand wird dort investieren, solange der Status des Landes unklar ist und niemand weiß, wer für Recht und Gesetz sorgt und es durchsetzt. Die Ukraine bleibt auf unabsehbare Zeit ein Land im Schwebezustand. Solange der Westen die Angliederung der Krim an Russland nicht akzeptiert, wird Moskau die neue westlich orientierte ukrainische Regierung nicht anerkennen. Moskau wird sich zudem die als unrechtmäßig bezeichnete Absetzung von Präsident Wiktor Janukowitsch als Faustpfand für weitere Handlungen vorbehalten. Genau das wird die neue Regierung des Landes veranlassen, auf eine Entscheidung zu drängen. Sie wird weitgehende Partnerschaftsverträge mit der EU unterschreiben wollen. Ein No Go für Moskau.
Fazit: Die EU steht vor ihrer außenpolitisch härtesten Bewährungsprobe. Sie läuft Gefahr, einer militärischen Eskalation begegnen zu müssen, wenn die Ukraine selbst die Entscheidung sucht und sich dem Westen „an den Hals wirft“. Der Krisenherd bleibt auf längere Zeit eine Belastung für die Weltwirtschaft.