Jean-Claude Juncker ist offenbar auf einem guten Weg, in Brüssel einen Mentalitätswechsel durchzusetzen. Das ist jedenfalls die Einschätzung, die wir von verschiedenen EU-Insidern hören. Zuletzt sagte man uns am Rande des Sommerfestes des Bankenverbandes, die Kommission habe unter ihrem neuen Kommissionspräsidenten begriffen, dass sie das bürokratische Klein-Klein der Barroso-Ära beenden und vielmehr „dicke Bretter bohren muss“. Hier habe Juncker in seinen ersten sieben Monaten im Amt einiges bewirken können.
Die Juncker-Kommission ist die „letzte Chance“ für die EU, bei den Bürgern wieder an Rückhalt zu gewinnen. Diese Einschätzung ist vielfach zu hören. Denn um diesen Rückhalt ist es derzeit alles andere als gut bestellt. Dem jüngsten Eurobarometer zufolge vertraut nicht einmal jeder dritte EU-Bürger den europäischen Institutionen. Vor Beginn der Krise waren es noch über 75%. Sollte Juncker es nicht schaffen, diesen Trend umzukehren, würde die EU ihr negatives Image auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr loswerden können.
Das Hauptproblem ist der Arbeitsmarkt. Laut Eurobarometer definieren inzwischen 20% der europäischen Bürger die EU als ein Synonym für Arbeitslosigkeit. Und das nicht nur in den von der Krise am härtesten getroffenen Ländern, sondern auch in den wirtschaftlich gesünderen Staaten. Dagegen befinden sich die positiv besetzten Begriffe Wohlstand und Demokratie im Sinkflug.
Fazit: Ob es Juncker schafft, die verkrusteten Strukturen in Brüssel aufzubrechen, werden die nächsten Jahre zeigen. Der erste Eindruck ist aber durchaus ermutigend. Ohne eine deutliche Trendwende am Arbeitsmarkt wird das europäische Projekt aber so oder so in noch größere Schwierigkeiten geraten.