Europa überdenkt angesichts des Flüchtlingsansturms seine Syrien-Politik – und seine Haltung zu den Sanktionen gegen Russland. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist, dass in den Medien ein Deal zwischen der BASF-Tochter Wintershall und dem russischen Energieriesen Gazprom kaum Niederschlag gefunden hat. Die BASF-Tochter erhält höhere Anteile an Förderfeldern in Sibirien. Gazprom bekommt im Gegenzug das komplette Gashandels- und Gasspeichergeschäft in Deutschland. Beinahe zeitgleich einigte sich Gazprom mit einem Konsortium europäischer Gasunternehmen, darunter Wintershall und Eon, über den Bau von zwei weiteren Pipeline-Strängen in der Nordsee, Nord Stream 2. Ein weiteres Asset-Tauschgeschäft mit dem österreichischen Energieversorger OMV könnte in den kommenden Wochen folgen.
Der Deal kommt für Beobachter überraschend. Noch Ende vergangenen Jahres hatte Präsident Wladimir Putin auf dem Gipfel des Konflikts mit Europa die South-Stream-Pipeline begraben. Jetzt zieht die Kasseler Wintershall doch den Milliarden-Deal mit der russischen Gazprom durch. Dabei wollten sich die EU-Länder eigentlich von der Abhängigkeit von russischem Gas befreien. „Berlin will hier scheinbar die wirtschaftliche Beziehung zu Russland wieder aufleben lassen und so ein Signal hin zu einer Entspannung setzen“, glaubt Dr. Stefan Meister, Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Berlin und Europa wissen, dass man ohne Russland die Lage in Syrien nicht stabilisieren kann. Beinahe zeitgleich entspannt sich die Lage im Osten der Ukraine. Erstmals scheint die seit dem 1. September geltende Waffenruhe zu halten. Ein Friedensschluss ist damit zwar bei weitem noch nicht erreicht, Grund zur Hoffnung besteht trotzdem.
Putin verfolgt seit einigen Wochen in Syrien eigene Pläne. Er lässt dort derzeit eine Militärbasis errichten und will das Vordringen des IS zum eigenen Militärstützpunkt an der syrischen Mittelmeerküste verhindern. Hier treffen sich die Interessen der Europäer und Russlands, aber auch der Amerikaner. Denn ohne einen Sieg über den IS lässt sich die Region nicht stabilisieren.
Fazit: Mit der Entspannung in der Ostukraine und dem Engagement in Syrien spielt Putin den Europäern in die Karten. Dass vor diesem Hintergrund plötzlich die Gasgeschäfte wieder klappen, dürfte mehr als nur Zufall sein. Für die Wirtschaft zeichnet sich damit eine Lockerung der Sanktionen ab.