Macrons Stuhl wackelt
Der Stuhl von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wackelt. Nun hat der smarte Parteigründer von La République en Marche scheinbar auch die letzten linken Wähler verprellt. Zwar hat Paris nach massiven Protesten eine Überarbeitung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes angekündigt – es ist der Anlass für jüngsten Proteste. Doch das Vertrauen der linken Wählerschaft ist Macron offenbar endgültig abhanden gekommen.
Knackpunkt des Gesetzes ist das angestrebte Verbot, Aufnahmen von Polizisten anzufertigen. Kritiker befürchteten eine de facto Unterwanderung des Demonstrationsrechts und ein Einfallstor für Polizeigewalt. Am Wochenende gingen dagegen laut Polizeiangaben 155.000 Menschen auf die Straße, Organisatoren sprechen von 500.000.
Rassemblement National in Umfragen vorn
Für die Präsidentschaftswahlen 2022 sind das schlechte Vorzeichen. Als Präsident der Mitte brauchte Macron bereits 2017 Wählerstimmen aus dem linken und rechten Lager um die rechts-nationale Marine le Pen zu verhindern. Beide Milieus kehren ihm gerade den Rücken. Die Chancen für eine Präsidentin le Pen stehen daher besser als je zuvor. Der Rassemblement National führt die Umfragen an. Auch die ausbleibenden Erfolge Macrons im Kampf gegen islamistischen Terror spielen ihr in die Hände.
Als einziger europäischer Regierungschef sind die Umfragewerte von Macron in der Corona-Krise eingebrochen. Nicht zuletzt auch, weil er den beliebten und erfolgreichen Regierungschef Édouard Philippe abgesetzt und gegen den farblosen Jean Castex ausgetauscht hat. Weniger als die Hälfte der Franzosen ist bereit, sich impfen zu lassen. Den harten Lockdown hat die Regierung jüngst gelockert. Doch Medienberichte weisen darauf hin, dass die Lockdown-Disziplin ohnehin schwach war. Macron hat als Krisenmanager keine Autorität.
Wirtschaft hinkt hinterher
Frankreichs Wirtschaft kommt nicht in Fahrt. Das BIP-"Wachstum" beläuft sich für 2020 auf -8%. Die Arbeitslosigkeit ist auf 8,8% angestiegen. Der französische Aktienindex CAC40 notiert weit unter dem Vor-Corona-Niveau. Die Staatsverschuldung ist die am schnellsten wachsende in Europa. Sie liegt momentan bei 92% des BIP. Kein Wunder also, dass Paris für eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa und Zugriff auf frisches Geld unter Zuhilfenahme der deutschen Bonität plädiert.
Macron ist innenpolitisch geschwächt, Frankreich wirtschaftlich in einer desolaten Lage. Die Autorität des Präsidenten ist dahin, der Le Monde bezeichnete ihn jüngst als royalistisch, arrogant und einsam. Wirkliche Umfrage-Impulsgeber bis zum Präsidentschaftswahlkampf 2022 sind nicht ersichtlich. Die Staatskassen sind leer.
Der politische Gegner wird zum größten Trumpf
Dennoch: Ausgerechnet seine Gegnerin könnte ihm die Wiederwahl sichern. Es ist wahrscheinlich, dass beide Kandidaten in die Stichwahl einziehen müssen. Dann würde der unbeliebte Macron gewählt werden, um le Pen zu verhindern. Bis 2022 können sich aber auch noch andere Kandidaten in Stellung bringen. Die linken Wähler sind auf der Suche nach einer neuen Heimat. Jean-Luc Mélenchon wittert bereits Morgenluft.
Fazit: Die Aussichten für Macrons Wiederwahl sind trübe. Wenn er noch einmal gewählt wird, dann als das kleinere Übel. Gelingt es einem anderen Kandidaten des politischen Frankreichs, sich in der linken Mitte zu etablieren, sieht es für Macron schlecht aus.