Der nächste Präsident der EU-Kommission könnte ein politisches Schwergewicht sein. Und er wird Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz heißen. Denn nach langem Zögern ist auch Angela Merkel bereit, den künftigen EU-Chef mit einer größeren demokratischen Legitimation auszustatten. In ihrer Rede auf dem CDU-Parteitag am Samstag sagte die Kanzlerin: „Deshalb sind wir froh, dass wir Jean-Claude Juncker als unseren Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten haben.“ Merkel hatte sich bereits auf dem Parteitag der Europäischen Volkspartei in Dublin entsprechend geäußert. Die jeweiligen Europawahl-Spitzenkandidaten der europäischen Parteienfamilien sollten automatisch auch die Favoriten für den Chefposten der EU-Kommission sein, sagte sie dort. Dagegen hatte sie selbst lange Widerstand geleistet. In der Öffentlichkeit hat ihre Kehrtwende noch keinen Widerhall gefunden. Merkels Zugeständnis ist ein großer Erfolg für die EU-Kommission. Diese arbeitet seit über einem Jahr darauf hin. Brüssels Kalkül: Ein Kommissionspräsident, der zuvor Spitzenkandidat bei der Europawahl war, hätte ein wesentlich größeres Ansehen als die bisher von den Staats- und Regierungschefs ausgekungelten Hinterzimmer-Kandidaten (FB vom 27.3.). Offenbar wurde der politische Druck auf Merkel zu groß. Selbst in der eigenen Partei hatten sich die Befürworter eines faktischen Automatismus von Spitzenkandidatur zu Kommissionspräsidentschaft zu Wort gemeldet – zumal dieses Verfahren, wenn auch schwammig, im Lissabon-Vertrag festgehalten ist. Dort heißt es: „Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament (…) einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission vor; dabei berücksichtigt er das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament wählt diesen Kandidaten mit der Mehrheit seiner Mitglieder.“ Merkels Zugeständnis sollte aber nicht so interpretiert werden, dass sie künftig Kommission und Parlament eine stärkere Rolle einräumen will. In Brüssel herrscht die Erwartung vor, dass die deutsche Kanzlerin auch weiterhin über den Ministerrat für sie unangenehme Projekte blockieren wird. Europas mächtigste Politikerin wisse, wo sie die Hintertürchen im Brüsseler Polit-Dickicht finde.
Fazit: Es spricht viel dafür, dass der nächste Kommissionspräsident eher das Format eines Jacques Delors haben und weniger ein durchsetzungsschwaches Leichtgewicht à la Barroso sein wird. Auch wenn die EU-Kommission dadurch institutionell nicht schlagkräftiger wird – politisch ist die höhere Legitimation ihres Präsidenten durchaus geeignet, um den stagnierenden EU-Reformprozess gegen nationale Widerstände voranzutreiben (FB vom 3.4.).