Noch mal eine Galgenfrist
Allen Voraussagen zum Trotz - der Grexit steht nicht an, noch nicht. Die letzte Frist wird zur Zeit der Detail-Gefechte.
Selbst ein Zahlungsausfall Griechenlands gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bedeutet noch nicht das Ausscheiden des Landes aus dem Euro. Zwar wird Athen die am 5., 12., 16. und 19. Juni fälligen Rückzahlungen in Höhe von insgesamt rund 1,5 Mrd. Euro aus eigenen Mitteln nicht mehr bedienen können. Doch bis der IWF selbst einen Zahlungsausfall offiziell als solchen verbucht und alle Hilfszahlungen einstellt, kann es laut IWF-Statuten bis zu einem Monat dauern. Vielfach zu lesende Meldungen, dass Griechenland am 5. Juni endgültig „das Geld ausgehen“ würde, sind mißverständlich. Griechenland und seine Gläubiger haben eine Fristverlängerung für eine Einigung bis maximal 19. Juli. Denn auch die Ratingagenturen spielen mit. Sie haben bereits angekündigt, Griechenlands Rating bei einem Zahlungsausfall gegenüber dem IWF nicht gleich auf D wie Default abzusenken. Hier liegt der springende Punkt: Solange Griechenland nicht als zahlungsunfähig gilt, kann die Europäische Zentralbank (EZB) die griechischen Banken weiter mit Notkrediten über Wasser halten. Erst wenn die EZB die griechischen Banken vom Tropf nimmt, ist der Grexit wirklich unabwendbar. Ob die Frist ausreicht, um die komplexe Gemengelage aufzulösen, steht in den Sternen. Denn sowohl für die Regierung von Alexis Tsipras als auch für die Regierungschefs anderer Eurostaaten hängt das politische Überleben am Ergebnis der Verhandlungen. So wählen Portugal und Spanien im (Spät-)Herbst ein neues Parlament. Gerade der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy steht gegenüber der linken Protestpartei Podemos mit dem Rücken zur Wand. In der Sache wäre eine Einigung einfach(er), wenn die politischen Spielräume der Verhandlungspartner größer wären. Es geht hauptsächlich „nur“ um Zeitpunkt und Tiefe einer griechischen Rentenreform und die Höhe des zu erzielenden Primärüberschusses (Haushaltssaldo ohne Schuldendienst). Doch sollte sich Syriza mit dem Anti-Austeritätskurs durchsetzen, würden die Wähler auch in anderen Ländern Parteien wählen, die ein Ende der verhassten Sparpolitik propagieren.
Fazit: Die ultimative Eskalation der Griechenland-Krise – der Grexit – steht auch in dieser Woche nicht an. Auszuschließen ist er aufgrund der verfahrenen politischen Gemengelage nicht. Wir gehen aber weiter von einer Einigung in letzter Minute aus.