Österreichs Koalitionskrise mahnt Deutschland
Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen in Österreich zeigt, dass das politische Konzept der Brandmauer nicht funktioniert. Nun stürzt diese Brandmauer in der Alpenrepublik ein. Nach zwei Versuchen zur Bildung einer Koalition und dem Rücktritt des Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP), hat der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun den rechtsradikalen Herbert Kickl (FPÖ) mit der Regierungsbildung beauftragt.
Die FPÖ mit Kickl an der Spitze hat nun den Ball. Die Führung der ÖVP übernimmt derweil Christian Stocker (ÖVP). Der ist offen für Verhandlungen mit der FPÖ, eine schwarz-rote Regierung mit Kickl als Kanzler wird darum wahrscheinlicher. Ob die Bildung einer Koalition mit einem gemeinsamen Regierungsprogramm gelingt, bleibt abzwarten. Trotz Gemeinsamkeiten in den Themen Steuern und Migration, sind Debatten in der Sicherheits- und Außenpolitik (EU, Ukraine) programmiert. Eine Koalition zwischen der FPÖ und ÖVP hätte zudem nur ein Mandat Vorsprung.
Österreichs Optionen
Ende September wählte Österreich mit rund 26% die ÖVP (Volkspartei), 21% die SPÖ (sozialdemokratisch) und zu rund 29% die FPÖ (rechtsaußen). Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zeigt, dass es nicht reicht, eine Brandmauer gegen die ÖVP zu errichten. Denn die Verhandlungen für eine Mitte-Regierung scheiterten vor allem aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik.
Alternative politische Szenarien in Österreich sind noch Neuwahlen, eine Minderheits- oder eine Beamtenregierung. Eine Neuwahl benötigt jedoch eine längerer Vorlaufszeit. Auch Österreich wäre dann über Wochen ohne Regierung. Außerdem ist davon auszugehen, dass es die FPÖ massiv stärken und der Partei 35% der Wählerstimmen bescheren würde. Das wollen ÖVP und SPÖ sicher verhindern.
Österreich mahnt Deutschland
Das politische Scheitern in Wien sollte Berlin eine Mahnung sein. Denn in Deutschland sind ähnliche politische Verhältnisse bald denkbar. Die Union hält (noch) an der Brandmauer zur AfD fest, übernimmt aber teilweise AfD-Positionen (z.B. Migration). Noch will die Union lieber mit der geschrumpften SPD oder gar den Grünen regieren. Dafür wird die Partei zahlreiche große Kompromisse machen müssen. Das Risiko, dass Deutschland die nächste Streit-Regierung bekommt, bleibt dennoch virulent.
Perspektivisch dürfte kein Weg daran vorbeiführen, einen neuen Umgang mit der AfD zu finden. Aktuell kommt die Union auf 31%, die AfD auf 20%. Die SPD steht bei 16%, die Grünen bei 13%, BSW (7%), FDP (3,7%).