Polen unter "Beschuss" des tschechischen Nachbarn
In der EU bahnt sich ein erneuter ernsthafter Konflikt an. Wieder geht es um Polen. Diesmal um einen offenen Rechtsbruch gegenüber dem Nachbarn Tschechien. Es dürfte aber nicht lange eine regionale Auseinandersetzung bleiben, sondern bald die gesamte EU betreffen.
Im Südwesten Polens, nahe der Grenze zu Tschechien liegen der Braunkohletagebau Turow und ein Kraftwerk, das aus der geförderten Braunkohle etwa 5% des polnischen Stromangebots produziert. Die polnischen Behörden hatten vor einigen Jahren Erweiterungen des Tagebaues und Verlängerungen der Betriebs genehmigt, ohne die betroffene tschechische Seite in die Entscheidungen einzubeziehen und auf deren Bedenken einzugehen. Das stellt auch nach polnischer Lesart einen gewöhnlichen Rechtsbruch dar.
Tschechien klagt beim Europäischen Gerichtshof
Tschechien hat mittlerweile Klage vor dem EuGH erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der EuGH ordnete allerdings den sofortigen Stopp des Abbaus an, um irreversible Schäden vor allem im Grundwasserhaushalt der Region zu verhindern. Polens Regierung ignoriert die Verfügung wie andere EuGH-Beschlüsse auch.
Die tschechische Regierung verlangt Sanktionen
In diesem Fall trifft Warschau allerdings auf härteren Widerstand. Prag hat beim EuGH ein Zwangsgeld in Höhe von 5 Mio. Euro pro Tag beantragt. Darüber ist noch nicht entschieden. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass Polen nachgibt und die Verfügung nun doch befolgt. Dann aber bliebe den Richtern kaum anderes übrig, als dem tschechischen Antrag stattzugeben.
Das Einstimmigkeitsprinzip könnte sich gegen Polen wenden
Faktisch wäre das der erste Fall finanzieller Sanktionen gegen Polen, ohne dass es dazu noch einer Abstimmung im Europäischen Rat bedurft hätte. Hier könnte erstmals die gegenseitige Rückendeckung der Regierungen greifen. Angesichts der weiteren Verfahren und dem von der tschechischen Regierung (nicht der EU) geforderten Betrag könnte mehr als nur die erste Milliarde aus Brüssel noch in diesem Jahr verbrennen.
Das Einstimmigkeitsprinzip wendet sich hier gegen Polen. Irgendeine goldene Brücke zu einem gesichtswahrenden Kompromiss (etwa durch reduzierte Beiträge zum Budget) könnten die anderen Regierungen nur einstimmig beschließen. Das dürfte schwierig werden.
Fazit: Die polnische Regierung treibt damit auf den Punkt zu, an dem sie zur politischen Gesichtswahrung selbst den EU-Austritt erwägen muss. Das hätte allerdings den Verlust der Förderung zur Folge – was sich Warschau wohl kaum leisten wird. Das vergiftete Klima mit der EU wird damit nicht besser, Kompromisse in Einstimmigkeitsfragen noch schwieriger.