Sieg des Pragmatismus
Die gescheiterten Volksinitiativen in der Schweiz machen der Wirtschaft Hoffnung, dass das Land wieder zu seinem bekannten Pragmatismus zurückfindet.
Ausländische Privatiers und Unternehmen in der Schweiz können nach dem vergangenen Wochenende aufatmen. Vor allem die mögliche Änderung der Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer hatte im Vorfeld der Volksabstimmung am 30.11. für einige Unruhe gesorgt. Für Unternehmen in der Schweiz wiederum wäre die Annahme der Ecopop-Initiative der GAU gewesen. Sie stand für eine radikale Begrenzung der Zuwanderung. Dies hätte erhebliche Rekrutierungsprobleme beim Personal gebracht. Dennoch liegen Wirtschaft und Privatiers zwei Initiativen weiter im Magen. Einmal muss die Schweizer Regierung die Masseneinwanderungsinitiative noch umsetzen. Denn schon zu Jahresbeginn hatte sich das Schweizer Stimmvolk für eine Begrenzung des Ausländer-Zuzugs entschieden. Zum anderen steht noch die Entscheidung über eine Neuregelung der Erbschaftsteuer in der Schweiz aus. Bis zum 9. Februar 2017 muss der Schweizer Gesetzgeber jährliche Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer festlegen. Dies bereitet der Schweizer Wirtschaft schon heute Kopfzerbrechen. Selbst die Universitäten rätseln, ob sie künftig ausländische Wissenschaftler beschäftigen können, wenn deren Angehörige nicht mehr wie heute sofort ebenfalls ohne weiteres eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Ablehnung der Ecopop-Initiative dürfte aber Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die die Umsetzung der Volksinitiative zur Masseneinwanderung flexibel auslegen wollen. Das sind insbesondere Grüne, Grünliberale und Teile der Sozialisten. Die Schweiz streitet, ob das ohne Verfassungsänderung möglich wäre. Es hätte zumindest den Charme, dass die Schweiz dann womöglich auch mit der EU einfacher darüber verhandeln könnte, wie man mit dem EU-Abkommen zur Freizügigkeit umgehen kann. Denn dies wird bei einer wortgetreuen Umsetzung der Initiative nicht aufrecht zu erhalten sein. Auch die Erbschaftsteuerinitiative dürfte nach dem Wochenende etwas von ihrem „Schrecken“ verloren haben. Es geht dabei um den Übergang der Erbschaftsteuerhoheit von den Kantonen auf den Bund. Betroffen wären vor allem die sog. „gemischten Schenkungen“. Bei lebzeitigen Immobilienübertragungen sind diese die Regel, da sie bis auf die Kantone Appenzell Innerrhoden, Neuenburg und Waadt heute erbschaftssteuerbefreit sind und zudem einen Steueraufschub genießen. Diese steueroptimierte Planungsmöglichkeit entfiele rückwirkend auf den 1. Januar 2012. Die Vorlage kommt frühestens nach den Nationalratswahlen 2015 zur Abstimmung. Sie würde vor allem Erblasser/Vermächtnisgeber und Schenker mit einem Nettovermögen von über 2 Mio. CHF treffen.
Fazit: Die Schweiz bleibt ein attraktives Ziel für ausländische Privatpersonen und Unternehmen. Wir erwarten auch für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative eine pragmatische Ausgestaltung.