Spanien: Spekulation auf Brüsseler Milde
Spanien verfehlt die mit der EU vereinbarten Haushaltsziele. Trotz eines blauen Briefs aus Brüssel kann das Land aber auf Milde hoffen.
Jetzt treibt Spanien Brüssel in die Enge. Erneut wird die Kommission gezwungen sein, die Ausnahmereglung im Wachstums- und Stabilitätspakt auszuschöpfen. Spanien wird die mit der EU vereinbarten Haushaltsziele verfehlen. Das ist jetzt schon sicher. Doch den Blauen Brief aus Brüssel kann die neue, alte Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy ignorieren. Der Regierungschef hat gegenüber Brüssel jede Menge Erpressungspotenzial. Nach zwei Wahlgängen kurz hintereinander gibt es noch immer keine klaren politischen Verhältnisse in Spanien. Rajoy regiert mit einer von den Sozialisten geduldeten Minderheitsregierung. Kriegt Rajoy seinen Haushalt nicht durch, stehen erneut Neuwahlen vor der Tür. Das Land droht dann restlos in einen Zustand politischer Instabilität abzugleiten. Deshalb können regierende Konservative und mitregierende Sozialisten über Bande spielen. Der Haushalt wird deshalb deutlich unter den eigentlich notwendigen Sparzielen bleiben. Und Brüssel wird dem zustimmen – wie schon bei Frankreich, Portugal etc. Rajoy wird zu seiner Entlastung auf die eigenen Anstrengungen verweisen. Noch als amtierender Ministerpräsident entwarf er Sparhaushalte. Tatsächlich hat Spanien seit 2012 das Defizit von damals 10,4% vom BIP kräftig senken können. Die für 2016 bereits gewünschten Kürzungen hat Rajoy aber mangels Mehrheit im Parlament nicht umsetzen können. Bereits in diesem Jahr kommt Spanien statt versprochener 3% auf 3,6% Defizit vom BIP. Bedenklich ist, dass Spaniens Verschuldung von 60% des BIP (2010) auf gut 100% gestiegen ist. Und sie wird weiter zulegen – trotz Wachstums. Es müsste also deutlich energischer gespart werden. Denn die Rahmenbedingungen bei den Zinsen und beim Wechselkurs sowie der Inflation sind noch traumhaft. Wie soll das werden, wenn sich dieser Rahmen wieder normalisiert?
Fazit: Spanien droht dem Stabilitäts-Pakt den letzten Rest an Glaubwürdigkeit zu nehmen. Denn unter den Krisenländern von 2008 war das Land neben Irland der Musterknabe.