Zahnlose Gewerkschaften
Die Eurokrise hat Europas Gewerkschaften in die Defensive gezwungen. Allmählich stellen sich die Erfolge der Reformbemühungen ein.
Generalstreiks in Italien, Belgien, Griechenland oder Spanien sind zwar hochaktuell, sie haben aber ihre frühere Durchschlagskraft verloren. Anhaltende Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktreformen haben die einst so dominierende Stellung der Gewerkschaften in den Krisenländern unterminiert. Das stellt die renommierte Zeitschrift für Internationale Politik und Gesellschaft fest. Auf die Arbeitslosenkosten wird sich das mittelfristig auswirken. Für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in Europa wird das nicht ohne Folgen bleiben. Noch behauptet Deutschland den seit 1999 erarbeiteten Produktivitäts- und Kostenvorsprung. In der Eurozone liegt die deutsche preisliche Wettbewerbsfähigkeit bei den Lohnstückkosten bei 84,7 (1999=100). Unter dem Wert von 1999 liegen laut Statistischem Bundesamt nur Griechenland (87,4), Österreich (96,5), Spanien (98,7) und Zypern (98,4). Darüber liegen Frankreich (102,7) und Italien (108,6). Ihnen gegenüber beträgt der Kostenvorsprung Deutschlands gute 20 Punkte. Auf Betriebsebene sieht es für die südeuropäische Konkurrenz teilweise besser aus. Die dortigen Flächentarifverträge wurden, wie auch in Deutschland, in den vergangenen Jahren erheblich aufgeweicht. Das schwächte die Breitenwirkung der Gewerkschaften deutlich. Andererseits ermöglichte die größere betriebliche Flexibilität etwa der spanischen Industrie, sich ein Stück weit aus der Krise herauszuarbeiten. Zu Beginn der Eurokrise schworen sich die europäischen Gewerkschaften Solidarität. Davon ist, von verbalen Bekundungen abgesehen, wenig geblieben. Selbst die Aufteilung der geforderten Konjunkturprogramme innerhalb der Eurozone sorgt für Streit.
Fazit: Schwächere Gewerkschaften bedeuten eine schwächere Lohnentwicklung. Das wird die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer stärken.