Die FDP ist derzeit die einzige Partei, die sich mit einem klaren Profil zur Wahl für den 19. Bundestag stellt. Sie hat wichtige Eckpfeiler eingerammt: keine gemeinsamen europäischen Schulden, „Neustart ohne Euro“ statt (formaler) Schuldenerlass für Griechenland, kein 4. Hilfspaket; in Deutschland deutliche Steuererleichterungen.
Die Truppe um Jung-Chef Christian Lindner tritt erfreulich offensiv für Fortschritt und Markt ein. Sie will eine Agenda 2030, weil sie weiß, dass die gute Konjunktur jetzt nicht von Dauer sein kann. Weil Euro und Öl (zu) billig sind und die Demografie derzeit noch ein Konjunktur-Turbo ist, im nächsten Jahrzehnt aber zur Bremse wird. Sie tritt für Investitionen in die Zukunft (Digitalisierung), statt in die Vergangenheit (Rente mit 63) ein.
Sie hat eine liberale Gesellschaft vor Augen, weiß aber auch, dass Grenzen geschützt werden müssen und Einwanderung geregelt. Flüchtlingszuzug inbegriffen. Sie will den Bürger vor allzu viel staatlicher Schnüffelei schützen, aber propagiert keinen Nachtwächter-Staat. Das ist angemessen, denn nicht zuletzt Großbritannien zeigt, dass mit Überwachungsmaßnahmen an jeder Ecke und auf jedem PC Terroranschläge wie die jüngsten von London nicht verhindert werden.
Der Lackmustest allerdings fehlt noch, auch bei der FDP. Wahlprogramme sind wohlfeil, denn jedermann weiß: Am Ende gibt es eine Koalition aus drei oder vier Parteien. Diese muss sich inhaltlich zusammenraufen – auch das ist Teil des demokratischen Spiels.
Umso wichtiger sind rote Linien. Es muss auch in der heutigen Gesellschaft der Vielfalt Grundsätzliches geben, für das Parteien stehen und das sie in keiner Koalition und politischen Situation zur Debatte stellen. So wie auch das Grundgesetz nicht verhandelbar ist, nur weil eine politische Situation den Umgang damit unbequem macht.
Fazit: Die Liberalen haben Glaubwürdigkeit zurückgewonnen. Wie weit die reicht, wird nicht zuletzt dadurch entschieden, ob und wo sie rote Linien für mögliche Koalitionsverhandlungen im Bund ziehen.